Die Stärke oder Schwäche einer Währung wird durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren beeinflusst, darunter
wirtschaftliche Fundamentaldaten,
Geldpolitik,
geopolitische Ereignisse,
Marktstimmung
externe Faktoren usw.
Hier sind einige Gründe, warum der japanische Yen als schwach wahrgenommen werden könnte:
Geldpolitik: Die Bank of Japan (BoJ) hat eine Politik der geldpolitischen Lockerung verfolgt, einschließlich ultraniedriger Zinssätze und QT, d.h. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik, um die Deflation zu bekämpfen und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Diese Politik, die darauf abzielt, die Inflation anzukurbeln und die Wirtschaftstätigkeit zu fördern, kann manchmal die Währung schwächen.
Zinsdifferentiale: Wenn die Zinssätze in Japan deutlich niedriger sind als in anderen großen Volkswirtschaften, suchen die Anleger möglicherweise anderswo nach höheren Renditen, was zu einem Rückgang der Nachfrage nach dem Yen und damit zu dessen Schwächung führt.
Safe-Haven-Status: Obwohl der Yen in Zeiten der Unsicherheit als Safe-Haven-Währung gilt, kann seine Stärke in Abhängigkeit von den globalen wirtschaftlichen Bedingungen und geopolitischen Spannungen schwanken.
In Zeiten globaler Risikoaversion können Anleger in sichere Anlagen wie den US-Dollar oder den Schweizer Franken strömen, was zu einer Schwächung des Yen führt.
Marktstimmung und Spekulation: Die Devisenmärkte werden von der Stimmung («animal spirits») und dem spekulativen Handel («carry-trades») beeinflusst, was zu kurzfristigen Schwankungen der Wechselkurse führen kann.
Wenn die Marktteilnehmer den Yen als überbewertet ansehen oder wenn es Spekulationen über eine weitere geldpolitische Lockerung durch die BoJ gibt, kann dies zu einer Schwäche der Währung beitragen.
Ein wichtiges Stichwort hierbei ist «Carry Trades».
Bei Carry Trades auf den Devisenmärkten werden Kredite («leverage») in einer niedrig verzinsten Währung (z.B. in Yen) aufgenommen und in eine höher verzinste Währung (z.B. in EUR) investiert, um von der Zinsdifferenz zu profitieren.
Wichtig ist zu beachten, was der Grund für grössere Zinsdifferenzen zwischen den Währungsräumen sind: Die Inflationsdifferenzen.
Heiner Flassbeck erinnert in seinem lesenswerten Buch «Atlas der Weltwirtschaft», wie westliche Banken, darunter deutsche und österreichische, den ungarischen Bürgern empfahlen, Hypothekenkredite in CHF und JPY aufzunehmen, weil die Zinsen dort niedriger waren als in Ungarn.
Viele Osteuropäer gingen dieser skrupellosen Beratung auf den Leim, ohne zu ahnen, welche Währungsrisiken bei der Kreditaufnahme entstehen.
Im Vorfeld werteten die genannten Währungen, bedingt durch die «carry trades» gegenüber dem Forint zeitweise ab.
Doch im Sog der Globalen Finanzkrise (GFC) von 2008 hat sich die ungarische Landeswährung nominal massiv abgewertet. Die Folgen waren verheerend.
Die ungarischen Bürger, die sich in einer Fremdwährung verschuldet hatten, sahen sich einer signifikant erhöhten Zins- und Tilgungsbelastung gegenüber.
Das Risiko besteht also darin, dass die Zielwährung abwerten kann, so dass der Spekulant nach dem Rücktausch am Ende der Anlageperiode weniger (in eigener Währung) bekommt.
Wenn viele Spekulanten «carry trade» betreiben, wertet die Zielwährung aufgrund der steigenden Nachfrage vorerst nominal auf. Doch die Aufwertung einer Währung, deren Inflationsrate im Vergleich zu «funding currency» hoch ist, aus volkswirtschaftlicher Sicht absurd.
Denn bei Überbewertung verlieren die inländischen Unternehmen an Nachfrage, was zu einem Verlust von Arbeitsplätzen führt. Und bei Unterbewertung verteuern sich Importgüter, z.B. Rohstoffe. Die exportorientierte Wirtschaft des Landes kann von einem schwachen Wechselkurs von Yen profitieren, weiter sie im Ausland vergünstigt Güter absetzen kann. Aber es bestehen Stabilitätsrisiken, falls der Sinkflug der Währung ausser Kontrolle gerät.
Fazit: Aufgrund überschiessender Reaktionen an den Devisenmärkten richten «carry trades» enorme Schäden an. Dazu kommt, dass die Zinspolitik der EZB («higher for longer») die Gefahr von «carry trades» erhöht und Inflationsbekämpfung in den aufstrebenden Volkswirtschaften erschwert.
Zur Erinnerung: Die BoJ hat im März 2024 eine geldpolitische Kehrtwende vollzogen. Die japanische Zentralbank hat den Leitzins, der seit 2016 bei minus 0,1% lag, auf eine Spanne von null bis 0,1% erhöht. Das war die erste Zinserhöhung seit 2007.
(*) In diesem Fall ist der Schweizer Franken und/oder der Yen die sog. «funding currency» und der Forint die «Zielwährung». Weitere abschreckende Beispiele in Sachen Währungsspekulation betreffen Brasilien, Südafrika und die Türkei.