Die Dynamik der privaten Investitionstätigkeit ist von besonderer Bedeutung, damit das marktwirtschaftliche System funktionieren kann.
Der Aufbau eines leistungsfähigen Kapitalstocks ist dabei entscheidend. Eine Investitionsschwäche ist im Allgemeinen auf schlechte monetäre Bedingungen und eine mangelhafte Nachfrage zurückzuführen.
Für die Entwicklung der Produktivität kommt es auf die Investitionstätigkeit und die gesamtwirtschaftliche Auslastung der Kapazitäten an.
Es ist in erster Linie die Aufgabe des privaten Sektors, die Schuldnerrolle zu übernehmen und zu investieren.
Wenn sich aber Unternehmen mit Investitionen zurückhalten, selbst bei null-Zinsen, muss der Staat in die Bresche springen.
Im Sog der Corona-Pandemie hat der Staat eine vergrösserte Rolle übernehmen müssen, gesundheitspolitisch und konjunkturell. Die wirtschaftspolitischen Massnahmen des öffentlichen Sektors wurden vorwiegend durch Kreditaufnahme an den Finanzmärkten finanziert.
Während der akuteste Stress im Bankensektor im Moment abgeklungen zu sein scheint, trocknet der Kreditfluss langsam aus: 46% der US-Banken verschärfen jetzt ihre Kreditvergabestandards und zögern, mehr Risiken in ihre Bücher aufzunehmen.
Der ausschlaggebende Grund ist «monetary austerity» auf beiden Seiten des Atlantiks.
Die Unternehmen benötigen jedoch nach wie vor Zugang zu Krediten, was viele dazu veranlasst, sich an private Kreditgeber zu wenden, um ihren Kreditbedarf zu decken.
Doch Bankchefs im Vereinigten Königreich haben neulich davor gewarnt, dass eine wachsende Zahl von Verbrauchern während der Lebenshaltungskostenkrise auf "Schattenkredite" (shadow credits) zurückgreift, indem sie riskante Darlehen aus den undurchsichtigeren Ecken des Finanzsystems aufnimmt.
Wichtig ist vor diesem Hintergrund, zu beobachten, was sich in Sachen Industrie-Politik in den USA abspielt.
Die drei Gesetzentwürfe (Industrie, Technologie und Arbeitsplätze) der Biden Administration bilden das größte industriepolitische Engagement in den USA seit dem Kalten Krieg - mit kaskadenartigen makroökonomischen Auswirkungen, wie JPMorgan es beschreibt.
Das Gesetz über Infrastrukturinvestitionen und Arbeitsplätze 2021 (IIJA),
Der Inflation Reduction Act (IRA) von 2022 und
Der CHIPS and Science Act (CHIPS) von 2022
machen zusammen schätzungsweise 2,4 Billionen Dollar an öffentlichen und privaten Ausgaben in den nächsten 10 Jahren aus.
Angesichts der europäischen Energiekrise, die durch die Invasion der russischen Armee in der Ukraine ausgelöst wurde, wurden auch in Deutschland Wünsche nach Erneuerung der deutschen Industriepolitik laut, um die nötigen Anreize für ökologisch tragfähige Investitionen sowie den Erhalt von Arbeitsplätzen zu schaffen.
Die deutsche Wirtschaft sieht die zunehmende Gefahr einer schleichenden Deindustrialisierung in Deutschland, mit möglichen Folgen für viele Jobs.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat in diesem Kontext eine aktive Industriepolitik Deutschlands und der EU angekündigt.
Unter Industriepolitik versteht man im Allgemeinen eine Reihe strategischer staatlicher Maßnahmen und Interventionen, die darauf abzielen, das Wachstum, die Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Branchen innerhalb einer Volkswirtschaft zu fördern.
Das heisst, dass sie ein bewusster Versuch von Regierungen ist, die Struktur, Richtung und Leistung von Industriesektoren zu gestalten und zu beeinflussen.
Die Ziele der Industriepolitik können von Land zu Land unterschiedlich sein, aber sie umfassen im Allgemeinen Folgendes:
Wirtschaftswachstum,
Schaffung von Arbeitsplätzen,
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit,
technologischer Fortschritt,
regionale Entwicklung usw.
Die spezifischen Instrumente und Maßnahmen, die in der Industriepolitik eingesetzt werden, können je nach Land und Branche sehr unterschiedlich sein.
Dazu gehören
finanzielle Anreize, Steuererleichterungen, Subventionen, handelspolitische Maßnahmen, Infrastrukturentwicklung, Schutz des geistigen Eigentums, rechtliche Rahmenbedingungen und öffentlich-private Partnerschaften.
Zum Schluss lässt sich aus der Perspektive der Anleger festhalten, dass die genannten Massnahmen in Bezug auf die Industriepolitik die Ansicht unterstützen, dass im neuen sich zu entwickelnden Zyklus die Aktien der "Realwirtschaft" die Wachstumswerte, die in den 2010er Jahren dominierten, übertreffen sollten.