FOMC, der geldpolitische Ausschuss der US-Notenbank (Fed) hat am Mittwochabend das Protokoll («minutes») zur Zinsentscheidung von Anfang Mai veröffentlicht.
Die Teilnehmer stellten demnach enttäuschende Inflationswerte für das erste Quartal fest und sprachen auch darüber, die Zinsen «höher für länger» («higher-for-longer») beizubehalten, falls die Inflation keine Anzeichen für eine nachhaltige Annäherung an 2% zeigen sollte.
Die Anleger hingegen wetten den Terminmärkten zufolge auf ein bis zwei Zinssenkungen in diesem Jahr. Während diese Einschätzung mit der vieler Prognostiker übereinstimmt, erwarten manche Marktbeobachter keine Zinssenkung.
David Solomon, Vorstandsvorsitzender der Goldman Sachs Group beispielsweise, sagte am Mittwoch, dass er für 2024 „null“ Zinssenkungen vorhersage.
Adam Posen, Präsident des «Peterson Institute for International Economics» (PIIE) setzt sogar in einem live Interview mit dem Bloomberg TV einen drauf. Er erwartet nämlich nach den US-Präsidentschaftswahlen einen „nicht nachhaltigen Boom“, weshalb die US-Notenbank die Zinsen anheben werde.
Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist, was besser ist für das Vermögen der Vermögenden? Höhere Zinssätze oder niedrige Zinssätze? Mit anderen Worten, was überwiegt: «Einkommenseffekt» oder «Bewertungseffekt»?
Simon Wren-Lewis befasst sich in seinem lesenswerten Blog mit dem Stellenwert der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik (bekannt als QE, «quantitative easing») in Bezug auf die wachsende Vermögensungleichheit in den westlichen Gesellschaften.
Der emeritierte Professor für Wirtschaftswissenschaften und Fellow des Merton College, Universität Oxford erläutert, dass die QE-Politik zweifellos das Vermögen der Wohlhabenden in gewissem Maße erhöht hat.
Wahr sei aber auch, dass
der «Wert des Vermögens vor allem dadurch erhöht wurde, dass die Zentralbanken die kurzfristigen Zinssätze auf fast Null senken und sie dort für sehr lange Zeit halten mussten».
Hätte es die QE-Politik nicht gegeben, wären die Immobilienpreise und die Aktienmärkte trotzdem in die Höhe geschossen, und die Vermögensungleichheit hätte dramatisch zugenommen. Aus diesem Grund war QE nie die Hauptursache für den Anstieg des Kuchens, der den Wohlhabenden gehört, sondern nur das Sahnehäubchen.
Wren-Lewis legt weiter dar, dass die Anhänger von MMT («Modern Monetary Policy») die Ansicht vertreten, dass hohe Zinsen die Wohlhabenden begünstigen würden, weil sie dazu neigen, sich auf den «Einkommenseffekt» (income effect) und nicht auf den «Bewertungseffekt» (valuation effect) zu konzentrieren.
Doch der britische Ökonom kommt zum Schluss (*), dass die Wohlhabenden wegen des «Bewertungseffekts» niedrige Zinsen vorziehen.
Richard Murphy erkennt vor diesem Hintergrund an, verschiedener Meinung zu sein.
Der an der Sheffield University Management School forschende Wirtschaftsprofessor sagte zu mir in einem online “Small-Talk”, dass den Superreichen die Zinssätze gleichgültig sind, da sie auf den Märkten spielen können, was auch immer geschieht. Normal Vermögende hingegen sind sehr risikoscheu: sie mögen hohe Zinsen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass wohlhabende Personen die Chancen (z.B. Preisunterschiede) aufgrund ihres Zugangs zu Kapital, Informationen, fortschrittlicher Technologie, vielfältigen Märkten und ausgefeilten Risikomanagement-Strategien effektiver nutzen können. Diese Fähigkeit, Arbitrage-Möglichkeiten effizient zu erkennen und zu nutzen, trägt wesentlich zu ihrem finanziellen Erfolg bei.
Exkurs:
(*) Warum sind die kurzfristigen Zinssätze fast auf null gesunken?
“Weil wir die größte Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg hatten. Warum blieben die kurzfristigen Zinssätze so lange bei fast Null? Weil in allen großen Ländern außer China ab 2010 eine Finanzpolitik betrieben wurde, die als Austerität (“fiscal austerity”) bekannt ist. Es war die Austerität, die die kurzfristigen Zinssätze so lange so niedrig gehalten hat, und deshalb war die Austerität die Hauptursache für die niedrigen langfristigen Zinssätze und die zunehmende Vermögensungleichheit.”