Javier Blas and Jack Farchy: The World for Sale – Money, Power and the Traders Who Barter the Earth’s Resources, Oxford University Press, April 2022, UK, London.
Das ist ein faszinierendes und aufschlussreiches Storytelling. Der lebendige Handlungsort ist die (bis vor kurzem kaum regulierten) Rohstoffmärkte. Die überzeugenden Charaktere sind 1) Händler bzw. «Commodity Traders» (Hauptcharaktere), 2) Regulierungsbehörden (Antagonisten), 3) Banken und Finanzinstitute (Nebendarsteller).
Rohstoffhändler sind Einzelpersonen, die am Kauf und Verkauf von Rohstoffen wie Agrarprodukten, Energieressourcen, Metallen und anderen Rohstoffen beteiligt sind.
Und sie haben klare Ziele: 1) Gewinnmaximierung: Das Hauptziel der meisten Rohstoffhändler besteht darin, einen Gewinn zu erzielen, indem sie Rohstoffe zu einem niedrigeren Preis kaufen und zu einem höheren Preis verkaufen, 2) Aufbau starker Beziehungen: Der Aufbau und die Pflege guter Beziehungen zu Lieferanten, Käufern und anderen Marktteilnehmern und 3) Marktanteilserweiterung: einige Händler konzentrieren sich darauf, ihr Handelsvolumen zu erhöhen und/oder in neue Märkte zu expandieren.
Zu den Stärken der Rohstoffhändler zählen hauptsächlich: 1) Marktkenntnisse, 2) Anpassungsfähigkeit (schnell auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren und 3) Verhandlungsgeschick, um günstige Geschäfte und Konditionen mit Lieferanten und Käufern zu erzielen.
Die Schwächen der Rohstoffhändler betreffen: 1) Risikoexposition (Preisschwankungen, geopolitische Ereignisse und Unterbrechungen der Lieferkette) 2) Selbstüberschätzung, 3) regulatorische Herausforderungen (Vorschriften, deren Nichteinhaltung zu rechtlichen Problemen und Geldstrafen führen kann).
Interessant sind die Motivationen der Rohstoffhändler, wie sie im Buch beschrieben werden: 1) Finanzieller Gewinn, 2) Leidenschaft für den Markt und 3) intellektuelle Anregung (die Komplexität der Rohstoffmärkte bietet Händlern intellektuelle Anregung und die Möglichkeit, komplizierte Probleme zu lösen).
Javier Blas and Jack Farchy beschreiben die Rohstoffhändler (v.a. Öl und Metall) als «die letzten Draufgänger des globalen Kapitalismus»: sie sind bereit, dort Geschäfte zu machen, wo andere Unternehmen sich nicht trauen (Kuba, Irak, Iran, Somalia, Tansania, Tadschikistan usw.) und gedeihen durch eine Mischung aus Rücksichtslosigkeit und persönlichem Charme.
Doch obwohl die Bedeutung der Rohstoffhändler in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, ist ihre Zahl relativ gering geblieben: Ein großer Teil der weltweit gehandelten Ressourcen wird von nur wenigen Unternehmen abgewickelt, von denen viele nur wenigen Menschen gehören.
Die Hauptfigur, die die Geschichte vorantreibt, ist Marc Rich. In den 1980er Jahren spielte der 1934 in Antwerpen, Belgien geborene Rich (als Marcell David Reich) die dominierende Rolle (in den 1960er und 1970er Jahren Philipp Brothers).
Die Unternehmen haben eine fast familiäre Verbindung: Marc Rich war leitender Händler bei Philipp Brothers, bevor er das Unternehmen verließ, das seinen Namen trug; und March Rich & Co. wurde in Glencore umbenannt, als die Top-Händler Rich aus dem von ihm gegründeten Unternehmen vertrieben.
In den 1950er Jahren wurde der Ölmarkt von sieben großen Unternehmen kontrolliert. Sie wurden als „Sieben Schwestern“ («Seven Sisters») bekannt, die Vorläufer der Unternehmen, die heute ExxonMobil, Royal Dutch Shell, Chevron und BP sind. Internationaler Handel außerhalb des Oligopols dieser Großunternehmen gab es praktisch nicht.
Der Begriff betont insbesondere in den Vereinigten Staaten ihre wirtschaftliche Macht und ihren Einfluss auf die Politik. «Big Oil» wird heute oft mit der Lobby für fossile Brennstoffe in Verbindung gebracht und auch in abwertender Weise auf die Branche als Ganzes verwiesen.
Marc Rich war in vielerlei Hinsicht der Begründer der modernen Rohstoffhandelsbranche. Er verbrachte fast zwei Jahrzehnte als Flüchtling vor der US-Justiz und verschanzte sich in der Schweiz, nachdem er wegen Steuerhinterziehung und Handel mit dem Iran angeklagt wurde, während gleichzeitig Dutzende Amerikaner in Teheran als Geiseln gehalten wurden.
Die anderen Mitstreiter waren David Reuben und sein Bruder Simon von Trans-World (1973), Ian Taylor von Vitol (1966) und Claude Dauphin von Trafigura (1993).
Zur Erinnerung: Ivan Glasenberg (Glencore) wurde von Wladimir Putin für seine Dienste für den russischen Staat mit einer Medaille ausgezeichnet.
Im Mittelpunkt der Geschichte dieses Buches stehen vier Entwicklungen, die die Weltwirtschaft zu Gunsten der Rohstoffhändler veränderten.
Erstens öffneten sich Märkte, die bis dahin streng kontrolliert worden waren, vor allem der Ölmarkt. Die Vorherrschaft der großen Ölgesellschaften, der so genannten "Sieben Schwestern", wurde durch die Verstaatlichungswelle, die in den 1970er Jahren über die Länder des Nahen Ostens hinwegfegte, gebrochen.
Der zweite Grund war der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991.
Der dritte Grund war das spektakuläre Wirtschaftswachstum Chinas im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Die Industrialisierung der chinesischen Wirtschaft führte zu einer enormen neuen Nachfrage nach Rohstoffen.
Der vierte Grund war die Finanzialisierung der Weltwirtschaft und das Wachstum des Bankensektors, das in den 1980er Jahren begann.
Die Tätigkeit (m.a.W. «wheeling and dealing») eines Rohstoffhändlers hängt in hohem Maße von den Banken ab, die Garantien und Kredite gewähren, damit das Unternehmen mit geliehenem Geld kaufen und verkaufen kann.
Trotz der totalen Abhängigkeit des Unternehmens von seinen Banken galten die Geldgeber als «schäbige Anzugsträger». Die Händler waren die «Bienenköniginnen» des Unternehmens, wie die Autoren schildern.
Die Händler verdienten ihr Geld nicht durch ein brillantes Verständnis des Marktes. Sie waren einfach bereit, alle ethischen Grundsätze beiseite zu schieben, um mehr Geld zu verdienen.
Die Antwort von Rich war verzerrt: «Wir waren alle gegen die Apartheid.» Und er fügte dann im gleichen Atemzug hinzu: «Die Südafrikaner brauchten Öl, und wegen des Embargos war man nicht bereit, es ihnen zu verkaufen. Wir haben zugestimmt, weil wir der Meinung waren, dass es nichts Illegales ist.»
Viele Jahre lang hatten die Händler nach der Maxime von Marc Rich gelebt, «sich auf Messers Schneide zu bewegen», sich so nah wie möglich an der Grenze des Legalen zu bewegen und jedes Schlupfloch zu nutzen, das sie finden konnten.
Die Pflege vertrauter Beziehungen zu mächtigen Beamten gehörte lange Zeit zum Kerngeschäft des Rohstoffhandels (Afrika, ehemalige Sowjetunion, Naher Osten usw.).
Die Autoren betonen, dass die Rohstoffhändler sicherlich nicht die einzigen waren, die in den 1970er Jahren Bestechung als unvermeidliche Kosten für ihre Geschäfte ansahen.
Im Juni 2014, BNP Paribas hat sich der Verletzung der US-Sanktionen gegen Cuba, Sudan und Iran schuldig bekannt und sich bereit erklärt, fast 9 Milliarden US-Dollar zu zahlen. Es war ein bahnbrechender Fall, der sowohl die französische Elite als auch die globale Banken-Branche schockierte.
Als die USA ihre enorme Geldstrafe gegen BNP Paribas verhängten, war die Welt im Wandel. Nach jahrelangen Kämpfen im Irak und in Afghanistan war die amerikanische Öffentlichkeit kriegsmüde.
Unter Präsident Barack Obama fand Washington eine neue Methode, um seinen Willen durchzusetzen:
die Macht des Dollars und des globalen Finanzsystems als Waffe gegen Länder und Personen, die nach Ansicht der US-Regierung für Korruption und Menschenrechtsverletzungen in der ganzen Welt verantwortlich waren.
All dies war aufgrund der überwältigenden Bedeutung des US-Dollars möglich:
Jede Transaktion in US-Dollar muss über eine amerikanische Bank abgewickelt werden. US-Regierungsbeamte erklärten nicht, warum sie die Rohstoffhändler ins Visier genommen hatten, aber die Händler selbst hatten keinen Zweifel daran, dass sie im Visier Washingtons standen.
Ein restlos spannendes Buch, elegant und schlau verfasst, regt die Fantasie der Leser an und ermöglichen es ihnen, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen, Emotionen zu erleben und in das Universum der Commodity Traders einzutauchen.
PS:
Marc Rich hat die Staatsangehörigkeit von Belgien, Bolivien, Vereinigte Staaten, Frankreich, Israel und Spanien.