Stock Markets versus Real Economy
A domestic disinflationary and A global inflationary environment
Aktienmärkte sind nicht die Volkswirtschaft.
Dennoch ist es heute von grosser Bedeutung, zu hinterfragen, warum die Finanzmärkte während der COVID 19-Pandemie eine noch nie dagewesene Widerstandsfähigkeit (resilience) bewiesen haben.
Auf einen raschen Abschwung folgte nämlich eine Erholung, die bis Ende 2020 zu Rekordwerten führte.
Warum haben sich aber die Finanzmärkte viel schneller erholt als die Realwirtschaft?
Folgende Faktoren dürften im Wesentlichen dazu beigetragen haben:
Die niedrigen Zinssätze.
Die Übergewichtung von Großunternehmen in den Aktienmarktindizes und obendrauf die starke Performance von Technologieunternehmen, die v.a. von den Veränderungen im Zusammenhang mit COVID19 profitiert haben.
Die Intervention der Zentralbanken als «Lender of Last Resort» zur Risikominderung.
Das Aufkommen von provisionsfreien Handels-Apps wie z.B. Robinhood, mit dem Phänomen von sog. «meme»-Aktien der Reddit-Trader und der «FOMO»-Erscheinung («Fear of Missing Out»).
Nun wendet sich das Blatt.
Die US-Notenbank Fed will die Geldpolitik straffen, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Der Leitzins (Fed Funds Rate) wurde im März 2022 zum ersten Mal seit 2018 um 0,25% angehoben. Und Fed Chef Powell hat weitere Zinserhöhungen in den nächsten Sitzungen angekündigt.
Inzwischen erleidet der S&P 500 Index einen seit Jahrzehnten nicht mehr gesehenen, anhaltenden Rückgang: -12% seit Jahresbeginn.
Auch mit Anleihen sieht es nicht besser aus: Der Bloomberg Global-Aggregate Total Return Index hat im April 4,9 % verloren und damit den größten monatlichen Rückgang seit seiner Einführung im Jahr 1990 verzeichnet.
Die mengenmässige Straffung der Geldpolitik (QT: quantitative easing) bedeutet, dass die Zentralbanken sich aus den Finanzmärkten zurückziehen.
Am Dienstag hat die Einzelhandels-App Robinhood angekündigt, dass sie 9% ihrer Belegschaft entlässt. Ist es eine Überraschung? Nicht ganz: Die Aktie ist seit ihren Höchstständen im letzten Sommer um 85% gefallen.
Kurzum bietet das gegenwärtige Marktumfeld reichlich Unsicherheit. Und die derzeitige Unsicherheit wird nicht nur durch eine Inflationsgefahr geprägt, sondern auch durch makroökonomische und geopolitische Spannungen verursacht.
Der Einmarsch Russlands in die Ukraine wird sich laut IMF wahrscheinlich längerfristig auf die Rohstoffpreise auswirken und die Öl- und Gaspreise in diesem Jahr und die Lebensmittelpreise bis weit ins nächste Jahr hinein beeinträchtigen.
Hinzu kommt, dass China die Ausfuhr von Düngemitteln und Stahl eingeschränkt hat, was die Preise für die Verbraucher in anderen Ländern in die Höhe treibt und die Weltmärkte in Aufruhr versetzt, wie Greg Ip im WSJ berichtet.
Die Geldpolitik wirkt bekanntlich über die finanziellen Bedingungen.
Es ist daher wichtig, die nachgelagerten Effekten im Voraus wahrzunehmen, wie z.B. Entlassungen, schrumpfende Kaufkraft für Haushalte und stagnierende Investitionen in den High-Tech-Sektor.
Das alles lastet ohne Zweifel auf der Stimmung der Verbraucher und Investoren und führt damit zu einer geringeren Nachfrage und theoretisch zu weniger Inflationsdruck.
Was zählt, ist die Wachstumsstory, wie Paul Donovan, UBS unterstreicht.
Die Inlandsnachfrage in den USA mag sich nach dem Ausnahmejahr 2021 wieder normalisieren. Aber die einkommensschwächeren Haushalte haben inzwischen ihre Ersparnisse aus der Pandemie-Zeit bereits ausgegeben.
Die Verbraucherausgaben mögen unterdessen den Normen vor der Pandemie annähern. Vor dem Ausbruch der Pandemie hat sich aber die Wirtschaft, zumindest in Europa in keiner Phase der Hochkonjunktur (Boom) befunden. Ganz im Gegenteil: In den vergangenen zehn Jahren davor war die EZB damit beschäftigt, deflationäre Kräfte zu unterminieren.
Wenn wir die Inflation in «inländische» und «importierte» aufschlüsseln, wie Morgan Stanley es (für Zentraleuropa) nahelegt, dürfte die inländische Inflation im 2Q2022 zusammen mit der Wirtschaftstätigkeit zu sinken beginnen.
Die importierte Inflation dürfte wahrscheinlich noch eine Weile hartnäckig erhöht verweilen und sich aufgrund der immer noch bestehenden Einschränkungen in der Lieferkette (supply chain) und der weltweit höheren Rohstoffpreise sogar noch weiter beschleunigen.
Fazit: Angesichts der sich abzeichnenden (zum Teil kräftigen) Zinserhöhungs-Zyklen durch die Zentralbanken birgt die Kombination aus disinflationärem inländischem und globalem inflationärem Umfeld augenfällig Rezessionsrisiken.