Shareholders fordern Gewinn-Margin-Spirale - Stakeholders wollen Vollbeschäftigung.
Profits-Price Spiral vs. Full Employment
Die Inflation ist heute ein globales Phänomen. Schliesslich ist COVID-19 eine globale Pandemie. Es gibt aber nicht genügend hochwertige Evidenz dafür, dass die expansive Fiskalpolitik den Anstieg in Inflation ausgelöst hat.
David Andolfatto (*) hingegen schreibt auf seinem Blog, dass es fehlerhaft sei, zu denken, dass die Fiskal-Politik die Inflation von 2021 nicht verursacht hat.
Er vertritt die Ansicht, dass es durchaus möglich sei, dass die USA einen Teil ihrer Inflation in die ganze Welt exportiert haben, ähnlich wie in den 1970er Jahren.
Viele andere Länder (wie z.B. Kanada) hätten eine ähnliche Fiskal-Politik verfolgt. Aber die Inflation sei in diesen Ländern mit weniger expansiven Fiskal-Politik niedriger.
Neben dem Faktor «Fiskal-Politik» gibt es zwei andere Faktoren, die herangezogen werden, um den Anstieg der Inflation zu erklären: Lohninflation («wage-price spiral») und «Unternehmensgier» (profit margin).
Es ist nicht unvernünftig, anzunehmen, dass das Lohnwachstum der Inflation vorausgeht. Doch dies ist in den Daten nicht erkennbar.
Die Daten von Atlanta Fed’s Wage Growth Tracker deuten auf eine bescheidene Beschleunigung der Lohninflation für das unterste Quintil und eine Verlangsamung der Lohninflation für das oberste Quintil hin.
Alles in allem sind die Reallöhne 2021 in der Tat in allen Quintilen zurückgegangen.
Andolfatto unterscheidet aber zwischen grossen und nicht-grossen Unternehmen und merkt an, dass die Gewinnmargen von 90 % der Unternehmen sich ihrem historischen Durchschnitt anzunähern scheinen.
Es gibt Anzeichen dafür, dass die Gewinnspannen für die obersten 10 % der Unternehmen im Jahr 2021 gestiegen sind. Dieser Anstieg erreichte jedoch im dritten Quartal seinen Höhepunkt und ging dann im vierten Quartal wieder auf den historischen Durchschnitt zurück, so Andolfatto weiter.
«Auch wenn der Anstieg der Gewinnmargen wahrscheinlich zur Inflation beigetragen hat, so scheint er doch kaum ein Indiz zu sein. Und die Rückkehr zum Mittelwert im vierten Quartal deutet darauf hin, dass die "Gier der Unternehmen" im Jahr 2022 wahrscheinlich keine Quelle des Inflationsdrucks sein wird», hält Andolfatto, als Fazit fest.
Doch die Abbildungen von Morgan Stanley zeigen in Bezug auf die Unternehmen, die von S&P 500 erfasst werden, einen deutlichen Anstieg der Gewinnmargen in den vergangenen Jahren.
Es gilt allerdings, in Erinnerung zu rufen, dass die Inflation aus Ungleichgewichten bei Nachfrage und Angebot resultiert, nicht unbedingt von Veränderungen der «Unternehmensgier».
Tracy Alloway von Bloomberg, unterstreicht in diesem Zusammenhang, worum es in dieser Gewinnsaison geht: Unternehmen, die ihre Preise erhöhen können, werden von den Anlegern belohnt.
Unternehmen, die ihre Preise nur langsam anheben, um ihre Gewinnspannen (profit margin) wiederherzustellen, werden bestraft.
Das ist nicht unbedingt überraschend. Denn die Aktionäre (shareholders) mögen Gewinne. Und wenn man die Preise anheben kann, ohne Marktanteile zu verlieren oder Kunden zu vergraulen, dann bedeutet das mehr Gewinn.
Wenn wir jedoch über die "Lohn-Preis-Spirale" als reales Risiko sprechen, scheint es vernünftig, auch über die "Gewinn-Preis-Spirale" zu sprechen, wie Joe Weisenthal von Bloomberg zu Recht bekräftigt.
Die Inflation zieht an, die Aktionäre verlangen, dass die Gewinnspanne wieder aufgefüllt wird, die Preise ziehen an und so weiter.
Fazit:
Es ist seltsam, davon auszugehen, dass eine erhöhte Inflation ein viel wichtigeres Problem sein soll als die Arbeitslosigkeit. Unterbeschäftigte wollen keine Unterbeschäftigung. Und Beschäftigte fürchten, ihre Stelle zu verlieren.
Ein Anstieg der Arbeitslosenquote um einen Prozentpunkt unser Wohlbefinden fast viermal so stark beeinträchtigt wie ein Anstieg der Inflation um einen Prozentpunkt. Mit anderen Worten: Arbeitslosigkeit macht die Menschen viermal so unglücklich.
Diejenigen, die behaupten, dass die expansive Fiskal-Politik zu einem Anstieg der Inflation geführt hat, sollten nicht verschweigen, dass dieselbe Fiskal-Politik über 6 Millionen Arbeitsplätze in den USA geschaffen hat.
(*)
David Andolfatto ist Senior Vice President in der Forschungsabteilung der Federal Reserve Bank of St. Louis. Er war Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Waterloo (1991 bis 2000) und der Simon Fraser University (2000 bis 2009), bevor er im Juli 2009 zur Fed kam.
Seine Schlussfolgerung: Die oben genannten Faktoren (Arbeitnehmer und Unternehmen) haben zweifellos in gewisser Weise zur Inflationsdynamik des Jahres 2021 beigetragen. Aber das Ausmaß und die Hartnäckigkeit der Inflation waren in erster Linie durch die Politik bedingt: Der entscheidende Faktor scheint hier die Abfolge der COVID-19 «fiscal transfers» zu sein.