Das Twitter-Video einer jungen Bundestagsabgeordneten (Grüne) für München hat neulich einen heftigen Shitstorm auf der Internet-Plattform des Kurznachrichtendienstes ausgelöst.
Vorwurf: Eine fehlerhafte Darstellung des Konzeptes der monetären Staatsfinanzierung bzw. der Implementierung der Geldpolitik (Wirkungsmechanismus).
Was aber dabei aufgefallen ist, dass die Kritik sich gänzlich auf die Grundsätze der neoklassischen Wirtschaftstheorie bezieht.
Das heisst, dass es konkret um bekannte, aber inzwischen mehrfach widerlegte Mythen geht, wie z.B.
«Wir müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten (Mittel) leben»,
«Die Regierungen müssen ihr Budget ausgleichen»,
«Wir müssen unseren Gürtel enger schnallen»,
«Niemals Schulden machen» und
«Austerität: TINA, es gibt keine Alternative».
Die empirische Evidenz legt nahe, dass den Regierungen Kanadas, Japans, des Vereinigten Königreichs, der USA und der Schweiz nie "das Geld ausgehen" kann.
Das Geld ist immer da.
Die Regierungen von Ländern mit nationalen Währungen können nämlich nie in Verzug geraten ("bankrott gehen") und sie müssen nie unter Spekulationen leiden, die die Zinssätze für ihre Anleihen in die Höhe treiben.
Wie wir kürzlich im Fall der BoE (Bank of England) gesehen haben, hat der Eingriff der britischen Zentralbank in das spekulative Markgeschehen dafür gesorgt, dass der abrupte Anstieg der Renditen der britischen Staatsanleihen (Gilts) gestoppt wurde. Und das Renditeniveau ist wieder gesunken.
Anleihekäufe und -verkäufe sind ein wichtiges politisches Instrument der Zentralbanken, um den Inflationsdruck zu dämpfen oder die Ausgaben zu stimulieren.
Die Regierung kann ihre Mittel erweitern, indem sie sich bei sich selbst verschuldet.
Die Stimulierung der Wirtschaft ist der erste und offensichtlichste Grund für die Monetarisierung, wie Prof. John F. Weeks in seinem lesenswerten Buch («The Debt Delusion») erläutert:
Wenn die Wirtschaft über ungenutzte Ressourcen verfügt, werden die erhöhten Ausgaben die Unternehmen dazu veranlassen, mehr zu produzieren, was voraussetzt, dass ein Teil dieser ungenutzten Ressourcen eingesetzt wird.
Die von Regierungen mit nationalen Währungen ausgegebenen Anleihen sollten daher nicht nur als Schulden (eine Verbindlichkeit) betrachtet werden. Die Anleihen spielen nämlich eine wichtige Rolle als politisches Instrument der Zentralbanken.
Für den öffentlichen Haushalt hat der Besitz einer eigenen Währung vor allem zur Folge, dass sich die Regierung bei sich selbst verschulden kann.
Die Regierung legt ihre Ausgabenpläne fest, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Bürgern nachzukommen.
Der formale Prozess beinhaltet einen regierungsinternen Austausch zwischen der für die Haushaltsplanung zuständigen Abteilung (Finanzministerium) und der für die Verwaltung der Währung zuständigen Institution (Zentralbank).
In den Vereinigten Staaten sind dies das Finanzministerium (US-Treasury, das Schatzamt) und die Federal Reserve Bank (Fed, die Notenbank).
Die Regierung (die Exekutive) weist das Finanzministerium an, Anleihen an die Zentralbank zu verkaufen.
Die Zentralbank, die als Bank der Regierung fungiert, bezahlt die Anleihen, indem sie der Regierung einen Kredit in Höhe des Nennwerts der neuen Anleihe gewährt (elektronisch gutschreibt).
Dieser Tausch, bei dem der Staat Kredite und die Zentralbank Anleihen erhält, hat einen technischen Namen: "Monetisierung des Defizits". Eine korrektere Bezeichnung wäre laut Weeks "monetarisierte Kreditaufnahme".
Das Wort "Monetarisierung" bedeutet, dass durch den Verkauf von Anleihen ein Geldbetrag (in Form von Zentralbankkrediten) geschaffen wurde, der dem Wert des Anleiheverkaufs entspricht.
Wenn die Anleihen an einen Haushalt oder ein Unternehmen verkauft werden, handelt es sich um eine so genannte "ent-monetarisierte Kreditaufnahme".
Zur Erinnerung: Verbindlichkeiten des öffentlichen Sektors sind das Vermögen des privaten Sektors.
Der neoklassische Grundsatz "Wir müssen im Rahmen unserer Möglichkeiten leben" ist deshalb für Regierungen von Ländern mit nationalen Währungen nicht relevant.
Bei den Ausgaben des öffentlichen Sektors geht es überwiegend um Politik und nur in zweiter Linie um die Wirtschaft.