Die Ungewissheit über den Zeitpunkt der Zinssenkung hält auf beiden Seiten des Atlantiks an.
Während die Fed die "Datenabhängigkeit" («data-dependency») an die grosse Glocke hängt, um Aufschluss darüber zu geben, wann die Zinswende eingeläutet würde, spricht die EZB von der «letzter Meile» («last-mile») im Kampf gegen die Inflation. Es gehe darum, so die EZB, die «Zweitrundeneffekte» einzudämmen. Doch es gibt weit und breit keine Anzeichen für «Zweitrundeneffekte».
Das gegenwärtige Lohnwachstum im Euro-Raum dürfte dazu beitragen, den Konsum zu stützen, ohne eine inflationäre Lohn-Preis-Spirale in Gang zu setzen, notiert Morgan Stanley in einer aktuellen Analyse. Mit anderen Worten scheint das Risiko einer ausufernden Inflation gering, worauf auch stabile Anleiherenditen am langen Ende und Risikoanlagen hindeuten.
Doch beide Notenbanken tragen gegen eine «übereilte Anpassung» des geldpolitischen Kurses unermüdlich festliche «Narrative» vor, als sei «story-telling» ein Ersatz für einen neuen Rahmen für die Handhabung einer angemessenen Geldpolitik im Sog eines einmaligen Angebotsschocks (Energie-Krise und COVID19 Pandemie).
Was wird es aber bringen, die Zinssätze länger hoch zu halten?
Ideen, die in der Öffentlichkeit in Form von populären Geschichten verbreitet werden, können viral gehen und die Märkte bewegen, sei es der Glaube, dass zum Beispiel die «Magnificent 7» nur weiter steigen können und dass einige Banken zu groß sind, um zu scheitern («too big to fail»).
Prof. Robert J. Schiller nennt es "narrative Ökonomie", um zu zeigen, wie Narrative große wirtschaftliche Ereignisse vorantreiben. Ob wahr oder falsch, Geschichten wie diese, die über die sozialen Medien verbreitet werden, treiben die Wirtschaft an, indem sie unsere Entscheidungen darüber beeinflussen, wie und wo wir investieren, wie viel wir ausgeben und sparen.
Fest steht, dass die Kommunikation der Fed einen Neustart braucht.
Die Kommunikationspolitik ist ein mächtiges Instrument für die Fed, aber sie ist übermächtig geworden. Von der Fed zu hören ist eine gute Sache, aber zu viel des Guten ist nicht gut, schreibt Claudia Sahm in ihrem aktuellen Substack-Eintrag.
Unterschiedliche Auffassungen unter den Fed-Vertretern sind gesund und zu erwarten; sie haben sich jedoch in der Öffentlichkeit zu einem Durcheinander entwickelt, das kein Vertrauen erweckt.
Normalerweise dauert es acht Monate nach der letzten Fed-Zinserhöhung, bis die Zentralbank mit Zinssenkungen beginnt.
Doch in diesem Zyklus hat die Fed die Zinssätze seit der letzten Anhebung im Juli 2023 zehn Monate lang konstant gehalten, wie Torsten Sløk, Apollo Global in Erinnerung ruft.
Höhere Zinssätze bedeuten, dass die Kreditaufnahme für Verbraucher und Unternehmen teurer wird. Dies kann dazu führen, dass weniger Kredite für Dinge wie Hypotheken, Autokredite und Unternehmensinvestitionen aufgenommen werden. Folglich können die Ausgaben der Verbraucher und die Investitionen der Unternehmen zurückgehen, was das Wirtschaftswachstum bremsen kann.
Doch Paul Donovan von der UBS bekräftigt in seinem Blog, dass das Kreditwachstum weder in den USA noch in Europa eine Gefahr ist.
Es ist unwahrscheinlich, dass eine Beibehaltung der hohen Zinssätze den gegenwärtigen Pfad des Lohnwachstums verändern wird, das der Inflation hinterherhinkt und zu einer Abschwächung tendiert. Die marktbestimmten Preise zeigen keine Anzeichen für einen Lohnkostendruck, der die künftige Inflation bedrohen würde.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass höhere Zinssätze manchmal zu einem langsameren Wirtschaftswachstum führen können, was die Schaffung von Arbeitsplätzen beeinträchtigen kann. Wenn Unternehmen ihre Investitionen zurückfahren und die Verbraucherausgaben aufgrund höherer Kreditkosten sinken, kann dies zu einer Verlangsamung der Einstellungen oder sogar zu Entlassungen in einigen Sektoren führen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat neulich auf einer PIIE-Veranstaltung gesagt, dass das Wachstum in Europa nur mittelmäßig und viel langsamer als in den USA gewesen sei.
Warum also hält die EZB die Zinsen bei 4,0%, dem höchsten Stand in der Geschichte des Euro? Die europäischen Entscheidungsträger scheinen offensichtlich erst einmal etwas bremsen zu wollen. Ist es die Beschäftigung?
Das "Sticky-Inflation-Problem" ist in der Tat eine Zombie-Ökonomie - in Bezug auf den scheinbaren Kompromiss zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit - Das Problem ist, dass es diesen «trade-off» nicht gibt.
Man könnte argumentieren, dass die geldpolitische Straffung der EZB tatsächlich keine Auswirkungen auf die Inflation hatte, da praktisch alle bisher beobachteten Preis-Rückgänge eintraten, bevor der restriktive Kurs greifen konnte.
Marktfundamentalismus, dem die EZB, koste es was es wolle, folgt, ist ohne Zweifel ein Teil der Erklärung der anhaltenden Stagnation der Wirtschaft im Euro-Raum.