Seit Mai ist die Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze höher als die Zahl der arbeitssuchenden Amerikaner.
Ein Faktor ist die Diskrepanz zwischen dem Ort, an dem die Menschen arbeiten wollen, und den Branchen, die Stellen anbieten.
Darüber hinaus ist es wichtig, zu beobachten, dass die Unternehmen im Allgemeinen nicht gerne Arbeitslose einstellen, vor allem keine Langzeitarbeitslosen.
Sie stellen lieber Leute ein, die bereits arbeiten oder kleinere Lücken in ihrer Berufserfahrung haben.
Unternehmen zögern, Langzeitarbeitslose einzustellen, weil sie 9 Monate Arbeitslosigkeit mit 4 Jahren verlorener Berufserfahrung gleichsetzen.
Ein modernes Paradoxon: eine Wirtschaft, in der Millionen Menschen Arbeit suchen, während die Unternehmen Schwierigkeiten haben, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.
Dieses Paradoxon wird durch die Tatsache verschärft, dass diejenigen, die am dringendsten eine Arbeit finden müssen - die Langzeitarbeitslosen - genau diejenigen sind, die mit den höchsten Zugangsbarrieren konfrontiert sind:
Arbeitslosigkeit schafft in gewissem Sinne Beschäftigungsunfähigkeit, wie Pavlina Tscherneva in ihrem neuen lesenswerten Buch (Juni 2020) beschreibt.
Selbst bei Ausbildungsprogrammen haben private Unternehmen andere Ausschlusskriterien. Diskriminierung (*) aufgrund von Geschlecht, Rasse, Alter und Sex sind gut dokumentiert.
Hinzu kommt: Wenn sich die Wirtschaft erholt, verschärfen die Unternehmen ihre Einstellungskriterien.
Während einer Rezession kommt es zu Massenentlassungen, während des Aufschwungs werden jedoch nur zögerlich neue Arbeitskräfte eingestellt.
Es ist eine Binsenweisheit, dass Rezessionen die Arbeitslosigkeit stärker erhöhen als Booms sie verringern.
Wenn die Löhne nicht steigen, gibt es keinen wirklichen Mangel an Arbeitskräften, und die Arbeitgeber geben falschen Alarm. Kein Lohnwachstum bedeutet keinen Arbeitskräftemangel.
Es gibt nicht genug Arbeitsplätze, und es gibt nicht genug gute Arbeitsplätze.
Was die Zentralbanken für den Arbeitsmarkt tun könnten, ist, einen "do-no-harm"-Ansatz zu verfolgen, wie Frau Tscherneva nahelegt, die NAIRU («non-accelerating inflation rate of unemployment») aufzugeben und aufzuhören, die Wirtschaft zu bremsen, um das Tempo des Beschäftigungswachstums zu drosseln.
Es gibt keine wirtschaftlichen und sozialen Gründe, Arbeitslose als Bollwerk gegen die Inflation einzusetzen.
Fazit: Die Abbildungen, die zeigen, dass die Zahl der verfügbaren Arbeitsplätze höher ist als die Zahl der arbeitssuchenden Menschen, bedeuten nicht unbedingt, dass es an qualifizierten Arbeitern mangelt.
Es gibt immer mehr Arbeitssuchende als offene Stellen.
Das ist das fatale Ergebnis der unrealistischen Prämissen des neoklassischen Wirtschaftsmodels mit Theorien über das «natural»e und/oder «optimal»e Niveau der Arbeitslosigkeit. Nach dem Motto: wage es ja nicht, ein «zu niedriges» Level der Arbeitslosigkeit anzustreben. Sonst müssten die Löhne steigen.
Der Arbeitsmarkt ist kein faires Spiel.
(*) Eine renommierte Bank in Zürich in der Schweiz will online im Fragebogen des Bewerbungsprozesses zusätzlich zu den Angaben über Namen, Anschrift und Nationalität auch wissen, ob es sich bei der angegebenen Nationalität um eine handelt, die der Bewerber und/oder Bewerberin bereits bei Geburt gehabt hat.
Das heisst im Grunde genommen, dass die Bank arglistig herausfinden will, ob die Person, die sich um die ausgeschriebene Stelle bewirbt, eingebürgert wurde oder nicht. Das ist pur rassistisch!