Der jüngste Verlauf von Baltic Dry Index und Welt-Container-Index (WCI) liefert weitere Belege für die Annahme, dass die Inflation vorübergehend («transitory») ist.
Die Ermässigung der beiden Indexe von den Spitzenwerten bedeutet sicherlich eine Entspannung.
Eine mögliche Schlussfolgerung daraus ist, der niedrige Stand von Baltic Dry Index auf eine bevorstehende Abkühlung des Inflationsdrucks in den kommenden Wochen hindeutet.
Gleichzeitig kann auch davon ausgegangen werden, dass der Rückgang der Indexe auf eine Abschwächung der chinesischen Nachfrage nach Rohstoffen zurückzuführen ist.
Diejenigen Ökonomen, die an die 1970er Jahre erinnern, geben im Grunde genommen einen Wink mit dem Zaunpfahl: Inflationsschock mit Zweitrundeneffekten.
Die Gesamtbeschäftigung in den USA liegt aber immer noch 5,1mio. unter dem Vor-Krisenniveau. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist eigentlich viel höher, wenn wir die Unterbeschäftigung mitzählen.
Insgesamt dürften Zweitrundeneffekte (Preiserhöhungen als Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen) auch in der Eurozone und in der Schweiz kein grosses Thema sein. Die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale ist auf beiden Seiten des Atlantiks gering.
In den 1970er Jahren, als eine Lohn-Preis-Spirale sowohl die Inflation als auch die Arbeitslosigkeit in die Höhe trieb, setzten Experten die beiden Faktoren zusammen und nannten dies den "Elendsindex" («Misery Index»).
Heute ist die Inflation zwar hoch, aber der Arbeitsmarkt ist gesund, weil die Löhne steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt und sowohl die Zahl der offenen Stellen als auch die Zahl der Kündigungen hoch ist, wie Morgan Stanley erklärt.
Die heutige Misere besteht darin, dass die Reallöhne, d. h. die inflationsbereinigten Löhne, schrumpfen, so dass die Verbraucher das Gefühl haben, dass sie nicht mithalten können.
US-Produktivitätsgewinne werden in der Vergütung der Arbeitnehmer nicht reflektiert. Und der Anteil des Faktors Arbeit am Einkommen liegt immer noch unter den historischen Normen. Eine Lohn-Preis-Spirale erscheint vor diesem Hintergrund unwahrscheinlich.
Ein aktuelles Working Paper 2021-24 («Estimating Hysteresis Effects») der Atlanta Fed befasst sich mit dem Thema «Nachfrageschocks», die durch Hysterese-Effekte eine dauerhafte Wirkung auf die Produktion haben können.
Es gibt demnach deutliche Hinweise darauf, dass die Hysterese durch einen Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit und einen Rückgang der Erwerbsbeteiligung weitergegeben wird und die am wenigsten produktiven Arbeitnehmer unverhältnismässig stark betrifft.
Bridgewater Associates hat kürzlich ein lesenswertes Papier veröffentlicht. Nach Schätzungen des Hedge-Fonds entspricht die weltweite reale Produktion nach dem Schock des letzten Jahres wieder dem Trend des letzten halben Jahrhunderts, während die Nachfrage ins Unermessliche gestiegen ist.
Auch die Unternehmensdaten lassen die Gefahr einer Stagflation wie in den 1970er Jahren kaum erkennen. Grundsätzlich sind die Umsätze je Aktie der S&P-500-Unternehmen im vergangenen Jahr zurückgegangen, haben sich aber inzwischen wieder so weit erholt, dass sie den seit 2016 bestehenden Trend fortsetzen, wie John Authers in seiner Kolumne bei Bloomberg unterstreicht.
Larry Summers fordert inzwischen die US-Notenbank auf, zu signalisieren, dass die Überhitzung das Hauptrisiko sei.
Doch wenn Rezessionen in einer transformierten digitalen Wirtschaft eine sich selbst erfüllende Prophezeiung sind, warum sollte die Fed dann signalisieren, dass das Hauptrisiko eine Überhitzung ist?
Was ist das für ein wirtschaftlicher Fortschritt?
Paul Krugman hingegen nimmt sich der Frage an, was wir von 1946-48 über die Inflation im Jahr 2021 lernen können.
Damals wie heute kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Verbraucherausgaben, da die Familien sich beeilten, die Güter zu kaufen, die in Kriegszeiten nicht verfügbar waren.
Damals wie heute brauchte die Wirtschaft Zeit, um sich auf eine große Nachfrageverschiebung einzustellen.
Das Ergebnis war damals wie heute eine Inflation, die 1947 einen Höchststand von fast 20% erreichte. Aber die Inflation war nicht von Dauer. Die Preise stiegen noch weit über ein Jahr lang rapide an. Im Laufe des Jahres 1948 ging die Inflation jedoch zurück und mündete 1949 in eine kurze Deflation.