Aus dem am Mittwoch veröffentlichten Protokoll (minutes) der Sitzung der Fed vom 27./28. Juli geht hervor, dass die meisten Teilnehmer die Ansicht vertreten, dass die Lage am US-Arbeitsmarkt noch nicht zufriedenstellend ist.
Die US-Wirtschaft benötigt weiterhin Unterstützung in Form von lockerer Geldpolitik und expansiver Fiskalpolitik.
Auch wenn manche Teilnehmer eine Reduzierung der monatlichen Käufe (“tapering”) von Anleihen durch die Fed für angebracht halten, bedeutet es nicht, dass die Fed demnächst die Zinsen erhöhen muss.
Der US-Senat hat am 11. August einen 3,5 Billionen USD schweren Haushaltsentwurf parteiübergreifend gebilligt und damit der Biden Administration ermöglicht, Massnahmen in den Bereichen Klimawandel, Gesundheitswesen und Bildung zu finanzieren und gleichzeitig die Steuern für wohlhabende Menschen und Unternehmen zu erhöhen.
Biden hat die Erneuerung der amerikanischen Infrastruktur (das Paket umfasst rund 1 Billionen USD) zu zentralen politischen Zielen erklärt. Und Präsident erhofft sich davon Millionen neuer Arbeitsplätze.
Ethan Harris, BofA, schreibt, dass der Output-"Multiplikator" von Infrastrukturinvestitionen im Vergleich zu anderen fiskalischen Ausgaben-Initiativen groß ist.
In der Volkswirtschaftslehre wird der Multiplikator mit 0,5 bis 1,2 angegeben, was bedeutet, dass für jede 100 Dollar, die für die Infrastruktur ausgegeben werden, das BIP mittelfristig um 50 bis 120 Dollar erhöht wird (ohne Berücksichtigung der Gegenleistungen).
Nachdem der öffentliche Sektor in den letzten Jahrzehnten relativ wenig in "Sachanlagen" investiert hat, wird dieses Gesetz eine dringend benötigte Unterstützung bieten, bemerkt Harris weiter:
Die Infrastruktur unterstützt die Wirtschaft vor allem in zweierlei Hinsicht: 1) durch direkte Ausgaben, da Geld in die Wirtschaft fließt, um verschiedene Projekte zu bezahlen, und 2) durch Produktivitäts- oder Effizienzsteigerungen.
Janet Yellen, US-Finanzministerin hat neulich in einem Beitrag bei YahooFinance den Infrastrukturplan als eine Anzahlung auf die Wirtschaft, die Amerika haben kann und sollte, beschrieben.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Amerika seit mehr als einer Generation zu wenig in die öffentlichen Güter (Bildung, Kinderbetreuung, Infrastruktur) investiert hat, die die Grundlage des Wirtschaftswachstums bilden.
Die Ausgaben in diesen Bereichen beliefen sich im Jahr 2019 auf etwa drei Viertel dessen, was sie in den 1970er Jahren waren.
Auch die EU kann eigentlich ein Lied davon singen. Nach Berechnungen von DIW Berlin beträgt die Investitionslücke für Deutschland jährlich 3,7% des BIP und den Euroraum 2,0%.
Die entscheidende Frage lautet nicht: «Was wäre, wenn wir diese grossen Investitionen tätigen?»: sie lautet: «Was, wenn wir es nicht tun?»
Wir investieren nicht zu viel. Es gibt mindestens drei zwingende Gründe dafür, unterstreicht Yellen:
Erstens: Wenn wir diese Investitionen tätigen wollen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Die realen Zinssätze sind derzeit negativ, und es wird erwartet, dass die Zahlungen für die Staatsschulden als Anteil an der Wirtschaft mindestens ein Jahrzehnt lang unter dem historischen Niveau bleiben werden.
Zweitens: Die «Build Back Better»-Vorschläge fiskalisch sind verantwortungsvoll. Die Investitionen sind zeitlich gestaffelt und belaufen sich im Laufe des Jahrzehnts auf etwa 1% des BIP. Außerdem werden sie langfristig durch eine Reform des Steuerrechts finanziert, die es gerechter macht, ohne die Amerikaner zu belasten, die weniger als 400,000 Dollar im Jahr verdienen.
Drittens: Und das ist das Wichtigste, müssen wir die Opportunitätskosten berücksichtigen, die entstehen, wenn wir diese Investitionen nicht tätigen.
Fazit: Es ist unsinnig und schädlich, zu versuchen, durch eine Politik von „Gürtel-enger-schnallen“ (z.B. in Form von Schuldenbremse und/oder „schwarze Null“) einen Wachstumsschub anzustreben, was faktisch nicht möglich ist.
Wenn aber die Unternehmen sich weigern, die Rolle des Schuldners zu übernehmen, dann muss der Staat in die Bresche springen, und Ersparnisse aufnehmen und investieren, in die Infrastruktur, Umweltschutz, Bildung und Kinderbetreuung.
Politische Entscheidungsträger sollten niemals ein bestimmtes Haushaltsergebnis anstreben, denn der Haushalt ist kein Selbstzweck. Stattdessen sollte der Haushalt als ständiges Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele eingesetzt werden, die auf die Erhöhung des Lebensstandards abzielen.
(*) In einem Schwellenland mit hoher Arbeitskräftemobilität und hoher Arbeitsintensität werden beispielsweise pro 1 Million Dollar zusätzlicher Investitionen rund 35 Arbeitsplätze in der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung geschaffen.
Pro investierter Million Dollar könnten etwa 5-10 Arbeitsplätze im Bereich Ökostrom, 2-12 Arbeitsplätze in effizienten neuen Gebäuden wie Schulen und Krankenhäusern und 5-14 Arbeitsplätze im Bereich umweltfreundliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung durch effiziente landwirtschaftliche Pumpen und Recycling geschaffen werden.
IMF hält als Fazit fest: Insgesamt kann 1 % des globalen BIP an öffentlichen Investitionsausgaben allein durch direkte Beschäftigungseffekte mehr als 7 Millionen Arbeitsplätze weltweit schaffen.