Die Marktbeobachter gehen nach wie vor davon aus, dass die Fed durch die Steuerung der Inflationserwartungen eine weiche Landung («soft landing»), d. h. eine niedrigere Inflation ohne Beeinträchtigung des Wirtschaftswachstums, erreichen kann.
Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit dabei geflissentlich in Kauf genommen wird.
Die aktuelle Umfrage* (SLOOS) der US-Notenbank (seit der jüngsten Serie von Bankzusammenbrüchen) zeigt, dass 46,0 % der Banken die Kreditbedingungen für eine Schlüsselkategorie von Unternehmenskrediten für mittlere und große Unternehmen verschärften, verglichen mit 44,8 % in der vorherigen Umfrage im Januar.
Die Ergebnisse scheinen aber eher die kumulativen Auswirkungen der geldpolitischen Straffung der Fed zu markieren als den drastischen Rückgang der Kreditvergabe, den einige Experten nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank im März befürchtet hatten.
Die Banken nannten am häufigsten eine erwartete Verschlechterung der Kreditqualität ihrer Kreditportfolios und der Sicherheiten-Werte (collateral) ihrer Kunden, eine Verringerung der Risikotoleranz und Bedenken hinsichtlich der Refinanzierungskosten, der Liquiditätslage der Banken und der Einlagenabflüsse als Gründe für die erwartete Verschärfung von Kreditvergabestandards für den Rest des Jahres 2023.
Was will aber die Fed?
Die Fed will mit kleinen Zinserhöhungen den Märkten signalisieren, dass sie es mit der Inflationsbekämpfung ernst meint. Dadurch sollen die Inflationserwartungen sinken, sodass die Arbeitnehmer ihre Lohnforderungen senken und die Unternehmen auf die Preiserhöhungen verzichten.
Gibt es aber eine Evidenz, die diese Modell-Annahme stützen würde?
Nein.
Ein Jahrzehnt lang nach der globalen Finanzkrise (GFC) hielt die Fed die Zinsen nahe Null, um anzudeuten, dass sie die Inflation auf ihr Ziel von 2% anheben will. Doch weder die tatsächliche Inflation noch die Inflationserwartungen gaben nach.
Warum?
Offensichtlich wegen einer anhaltenden Schwäche der Konjunktur und eines unzureichenden Lohnwachstums.
Es kann vor diesem Hintergrund mit Fug und Recht festgehalten werden, dass die Fed es noch nie geschafft hat, die Wirtschaft mit Zinserhöhungen zu einer sanften Landung zu führen.
Beispiel 1: Der Fed-Vorsitzende Paul Volcker hat in den 1970er Jahren die Zinsen massiv erhöht, um die Inflation zu bekämpfen.
Doch der Preis war zu hoch: Die Wirtschaft stürzte in eine tiefe Rezession. Und es folgten eine Reihe von Finanzkrisen: 1) Die «Thrift Crisis» Anfang der 1980er Jahre, 2) die Schuldenkrise der Entwicklungsländer und 3) die große Bankenkrise Ende der 1980er Jahre.
Ohne Zweifel geht das alles auf das Experiment von Volcker zurück.
Beispiel 2: Auch die Verschärfung der Geldpolitik durch den Vorsitzenden Alan Greenspan Anfang der 1990er Jahre führte zu einer Rezession.
Es folgte 1) eine sog. arbeitslose Erholung der Wirtschaft («jobless recovery») Und 2) Die Verschärfung der Geldpolitik im Jahr 2004 führte zur globalen Finanzkrise im Jahr 2008 (GFC) und 3) einem weiteren, noch längeren arbeitslosen Aufschwung («jobless recovery») bei.
Wird also Arbeitslosigkeit als Instrument zur Kontrolle der Inflationsrate toleriert?
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren.
Unbestritten ist, dass die damit verbundenen Verteilungseffekte die Ungleichheit wahrscheinlich verstärken:
Siehe die Pandemie von 2019. Die COVID-19 Krise hat sich für die oberen Schichten sehr positiv ausgewirkt.
Inwiefern ist aber das Konzept der verankerten Inflationserwartungen von Nutzen?
Da es die von der herrschenden neoklassischen Lehre unterstellten perfekten Märkte nicht gibt, wirkt der Ansatz von verankerten Inflationserwartungen (als Ersatz für das gescheiterte Geldmengen-Konzept des Monetarismus) wie eine Alibiübung.
Die Verankerung von Inflationszielen interessiert nämlich kaum jemanden ausserhalb enger akademischer Zirkel, wie Heiner Flassbeck erläutert.
Die Quantitätstheorie des Geldes wurde inzwischen sowohl von der Bank of England (2014) als auch von der deutschen Bundesbank (April 2017) entschieden widerlegt. Doch die Mitstreiter der herrschenden Lehre versuchen am monetaristischen Konzept der Verankerung der Inflationserwartungen festzuhängen, quasi als «Ersatztheorie».
In den unvollkommenen Märkten ist die Inflationsvorgabe nicht von besonderer Bedeutung, da die Tarifpartner auf die Branchenpreise und die Produktivität im entsprechenden Sektor schauen, wie Flassbeck weiter unterstreicht.
Die empirische Beobachtung legt nahe, dass die Lohnstückkosten die wichtigste Determinante für die längerfristige Inflationsentwicklung sind.
Eine gute Wirtschaftspolitik sollte daher, wenn es um die Stabilisierung der Erwartungen geht, daran orientiert sein, die Einkommenserwartungen der Masse der Bevölkerung und damit das Preisniveau zu stabilisieren.
Wenn die geldpolitischen Entscheidungsträger (verführt durch die monetaristischen Theorie) die Zinsen weit über das Niveau hinaus erhöhen, welches eine prosperierende Investitionstätigkeit fördern würde, steigt die Arbeitslosigkeit, im Sog der realen Wachstumseinbusse.
(*) Der vierteljährliche Senior Loan Officer Opinion Survey (SLOOS) der US-Notenbank gilt als Stimmungsindikator für den gesamten Bankensektor.