Ökonomen von Goldman Sachs gehen davon aus, dass die Reallöhne in der Eurozone im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 6% fallen.
Die Schätzung basiert auf einer Inflationsprognose von 7%.
Doch das Nominallohn-Wachstum von 2,5% ist auch nicht das Gelbe vom Ei.
Dass die starke Konsumzurückhaltung in der Eurozone mit den stagnierenden Löhnen, die ja im Wesentlichen aus der merkantilistischen (*) Wirtschaftspolitik der EU herrührt, zu tun hat, pfeifen die Spatzen von den Dächern.
Zudem ist das Konsumentenvertrauen im März stark eingebrochen.
Viele Bürger sind besorgt, dass die um die Inflation bereinigte Löhne fallen.
Wenn die Löhne sich in einer Spirale nicht höher bewegen, gibt es keine Lohn-Preis-Spirale.
Isabel Schnabel, EZB hat mehrfach darauf hingewiesen.
Inzwischen preist der Markt insgesamt rund 65 Basispunkte für eine Erhöhung der Leitzinsen bis zum Jahresende ein, d.h. rund 2 ½ Zinserhöhungen um 25 Basispunkte. Für die Juli-Sitzung der EZB sind bereits 15 Basispunkte eingepreist.
Nüchtern betrachtet scheint aber diese Preisgestaltung vollkommen übertrieben.
Nordea Bank erinnert daran, dass sich die Zentralbank bei den letzten EZB-Sitzungen eher den jeweiligen Marktpreisen angenähert hat als umgekehrt.
Die EZB hat zwar neulich angedeutet, dass die Inflation in der Eurozone auch durch die Nachfrage getrieben sei, zumindest rein theoretisch. Aber wenn sich keine "Lohn-Preis-Spirale" abzeichnet, sollte die EZB über Wachstumsschwäche besorgt sein.
Denn die Frage ist, was eine Lohn-Preis-Spirale signalisiert?
Es sind nicht die Löhne, sondern die Arbeitskosten.
Wenn die Menschen für ihre härtere Arbeit mehr Geld bekommen, steigt das Verhältnis zwischen Kosten und Produktion eines Unternehmens nicht; also besteht keine Notwendigkeit, die Preise zu erhöhen, wie Paul Donovan, UBS erläutert.
Die Kosten müssen wiederholt steigen - eine einmalige Änderung des Lohnniveaus ist keine Spirale.
Die Unternehmen müssen bereit sein, den Großteil ihrer Kostensteigerungen als höhere Preise weiterzugeben. Keine dieser Bedingungen ist gegenwärtig erfüllt.
Inflation ist daher gegenwärtig nicht die Hauptsorge der EZB.
Das europäische Wirtschaftsmodell mit selbstauferlegten Einschränkungen («schwarze Null», Schulden- und Defizit-Kriterien 3%/60% usw.) erzeugt in erster Linie einen Deflationsdruck.
Der Unternehmenssektor als Netto-Sparer stellt in der Eurozone die marktwirtschaftliche Welt auf den Kopf. Löhne sind nicht nur Kostenfaktor, sondern auch Nachfragedeterminante und Anlass für Produktivität.
Die treibende Kraft der wirtschaftlichen Entwicklung sind angemessene Lohnerhöhungen, öffentliche Investitionen in Bildung, Infrastruktur und das Gesundheitswesen sowie eine starke soziale Absicherung.
(*) Das Schuldenmachen einfach ins Ausland verschieben. Siehe dazu die sektoralen Finanzierungssalden.