Higher-for-Longer: “Animal Spirits” versus “Bond Vigilantes”
High Real Yields Can Deter Investments in Productive Sectors
Die Wall Street zittert um Sentiment.
Der ausschlaggebende Grund ist der sprunghafte Anstieg der langfristigen Zinssätze in den vergangenen Wochen.
Die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe (UST) ist auf den höchsten Stand seit Beginn der Subprime-Krise im August 2007 gestiegen.
Der rasante Anstieg der Anleiherenditen ist aber nicht allein auf die Rhetorik der US-Notenbank "höher für länger" (“higher-for-longer”) zurückzuführen.
Das Geschehen hat viel mehr mit der komplizierten Welt der Laufzeitprämien (“term premium”) und anderen Faktoren zu tun, welche die Rendite-Entwicklung antreiben.
Denn historische Muster zeigen, dass der Anstieg der Renditen von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird, von den Zinserwartungen bis zu den Schwankungen der Laufzeitprämien.
Der jüngste Markttrend zeigt eine Rückkehr der Laufzeitprämie als Markttreiber. Eine Reihe von Faktoren, einschließlich der wirtschaftlichen Bedingungen und der politischen Unsicherheit, wirkt sich auf die Laufzeitprämien aus.
Doch die Mainstream-Medien geben den steigenden Haushaltsdefiziten und der Staatsverschuldung die Schuld, mit Betonung von Narrativen wie
“die riesigen Staatsdefizite” und “erneute Ängste vor steigender Verschuldung".
Das ist “Blödsinn”, beschreibt Robert Reich in seinem jüngsten Substack Eintrag.
Angeblich "verdrängen" große Defizite die staatliche Kreditaufnahme und zwingen den Staat, den Kreditgebern höhere Zinsen zu zahlen.
Wie neulich an dieser Stelle hervorgehoben wurde, kommt es nicht unbedingt immer automatisch zu einem “crowding-out”: Präsident Biden's Industrie-Politik geht gegenwärtig mit “crowding-in” einher.
Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass die langfristigen Zinssätze mit der Höhe des Haushaltsdefizits oder der Staatsverschuldung steigen und fallen. Keine aktuellen Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass Haushaltsdefizite die Ursache für die höheren langfristigen Zinsen sind, die wir jetzt erleben.
Prof. Reich (public policy at the University of California, Berkeley), der von 1993 bis 1997 US-Arbeitsminister unter Präsident Bill Clinton war, legt dar, dass
die größte Ungewissheit im Moment nicht in den Wirtschaftsdaten liegt. Die größte Ungewissheit ist politischer Natur - nicht nur darüber, was in globalen Krisenherden wie der Ukraine und jetzt in Israel geschieht, sondern auch darüber, ob Amerika noch in der Lage ist, sich selbst zu regieren.
Und er argumentiert weiter, dass diese Ungewissheit von denselben republikanischen Extremisten verursacht wird, die die Schulden-Obergrenze (“debt ceiling”) nicht anheben wollten und sich dann weigerten, die Bundesregierung zu finanzieren.
Wenn die Mainstream-Medien auf das Narrativ “Bond Vigilantes” hereinfallen, schenken sie den Ansichten von “Austerians” (Anhänger von “fiscal austerity”), die die Staaten kürzen wollen, Aufmerksamkeit, was in der Praxis Abbau von Sozialversicherung, Gesundheitsdienst und vieles mehr bedeutet.
FT Editorial (“Adapting to a higher-for-longer”) schlägt wie Austerians in die gleiche Kerbe ein, wonach
strukturelle wirtschaftliche Veränderungen den Preisdruck und damit die Zinssätze auf lange Sicht höher halten könnten.
“Die Ausgaben für den Klimawandel, die Bevölkerungsalterung und die Verteidigung bedeuten, dass die Finanzpolitik die Nachfrage weiterhin stützen wird”,
so die Argumentation.
Weitere Anzeichen fiskalischer Verschwendung dürften von den Anleihemärkten (gemeint sind “Bond Vigilantes”, meine Anmerkung) bestraft werden, die versuchen, sowohl die Neuemissionen als auch die sich auflösenden Bilanzen der Zentralbanken zu verdauen.
Doch wie Stefan Gerlach, Chefvolkswirt, EFG Bank, Zürich, Schweiz; ehemaliger stellvertretender Gouverneur, Central Bank of Ireland, 2011-15, in einem Brief (“History teaches us that Fed rate regimes rarely last long”) an die FT schreibt,
die Geschichte lehrt uns, dass große Schocks, von denen jeder einzelne so selten ist, dass er einzigartig erscheint, die aber in ihrer Gesamtheit regelmäßig auftreten, zu starken Veränderungen des Zinsumfelds führen. Zwischen diesen Episoden abrupter Veränderungen kehrt dann wieder Ruhe ein. Lassen Sie sich davon nicht einlullen und glauben Sie nicht, dass die derzeitige Situation zwangsläufig lange andauern wird.
Die Anleihemärkte verlangen derzeit höhere langfristige Zinssätze, weil es (zumindest kurzfristig) keinen Ausweg aus diesem schwarzen Loch der politischen Unsicherheit zu geben scheint.