Geldpolitik und Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage
Rethinking Macroeconomic Policy after the Pandemic
Es scheint, dass das Blatt sich in Sachen Inflation wendet. Das ist zumindest das Signal, welches von den Finanzmärkten ausgeht.
Die vom Anleihemarkt abgeleiteten Inflationserwartungen sind in den letzten Wochen stark gesunken, und zwar sowohl für die nächsten 10 Jahren als auch für die fünf Jahre ab dem fünften Jahr (5y5y forward breakeven), wie John Authers sie in seiner Bloomberg Kolumne mit einem Chart eindrucksvoll präsentiert.
Wie lange diese Stimmung anhält, ist jedoch eine andere Frage.
Bislang wurde der Anstieg der Inflation eindeutig nicht durch angespannte Arbeitsmärkte verursacht, die die Löhne in die Höhe treiben.
Die Nominallöhne sind im letzten Jahr im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten schnell gewachsen, aber sie sind weit hinter der Inflation zurückgeblieben, was bedeutet, dass die Arbeitskosten den Preisdruck dämpfen und nicht verstärken.
Der neoliberale wirtschaftliche Mainstream will aber die Schuld auf die staatlichen Sozialausgaben schieben und versucht, das Lohnniveau zu senken, indem er die Inflation für die steigenden Löhne verantwortlich macht.
Zur Erinnerung: Der ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve, Paul Volcker, erhöhte 1980 die Zinssätze auf 20%, um eine Rezession herbeizuführen, die zu weniger Neueinstellungen führen und damit die Lohnzuwächse der 1970er Jahre beenden würde.
Die letzten beiden Jahre waren eine Periode erheblicher «Übergewinne» («overearning»), wie Morgan Stanley es zum Ausdruck bringt. Es ist vor diesem Hintergrund kein Wunder, dass US-Gewinnrevisionen nun als die schlimmsten unter allen Regionen betrachtet werden.
Das heisst, dass die positive Ertragsdynamik für die Abschwächung der Aktienmarktverluste entscheidend war, wenn wir v.a. an die steigenden Zinsen und höhere Inflation denken, welche wiederum dazu führen, dass die Gewinnerwartungen wieder auf den Prüfstand gestellt werden.
Hohe Gewinnspannen können nützlich sein, wenn sie Marktsignale darüber liefern, wo die wirtschaftlichen Ressourcen langfristig eingesetzt werden sollten, um den Bedürfnissen einer sich wandelnden Wirtschaft gerecht zu werden.
Doch es sieht heute nicht danach aus.
Schiefergasbohrer beispielsweise schütten in diesen Tagen Dividenden aus, anstatt mehr Öl und Gas zu fördern. Vergütungspläne, die einst Führungskräfte dafür bezahlten, die Produktion ohne Rücksicht auf die Energiepreise zu steigern, fördern jetzt Kostensenkungen und Aktionärsrenditen.
Fazit: Angesichts der Wachstumsverlangsamung und der angebotsseitigen Faktoren, die weitgehend ausserhalb der Reichweite der Geldpolitik liegen, riskiert die Fed durch eine zu starke Straffung, potenzielle Investitionen abzuwürgen, die zu einer Entspannung der Situation beitragen könnten. Das gilt natürlich auch für die EZB.