Nachdem die EZB auf der Juni-Sitzung endlich Klarheit über die Zinsaussichten geschaffen und eine Anhebung um 25 Basispunkte im Juli und eine weitere im September in Aussicht gestellt hat, kam es in den Anleihemärkten zu Reaktionen:
Der Abstand (spread) zwischen den 10-jährigen italienischen und deutschen Renditen hat sich vergrößert.
Und die EZB hat unmittelbar darauf eine Dringlichkeitssitzung einberufen und angekündigt, die Arbeit an einem neuen "Anti-Fragmentierung"-Instrument zu beschleunigen, um die wachsende Kluft bei den Kreditkosten zwischen Deutschland und Volkswirtschaften mit anfälligeren Bilanzen im Euroraum zu bekämpfen.
Der Rendite-Abstand zwischen den 10-jährigen italienischen und deutschen hat sich wieder verringert.
Um das Rahmenwerk zu verstehen, dass die Geldpolitik nicht mehr funktioniert, wenn es keine Kreditnehmer gibt, muss man zunächst die Beziehung zwischen der von der Zentralbank bereitgestellten Geldbasis (monetary base) und der Geldmenge (money supply), die angeben, wie viel Geld dem privaten Sektor tatsächlich zum Ausgeben zur Verfügung steht, verstehen, wie Richard Koo in seinem lesenswerten Buch vor rund sieben Jahren erläutert hat.
Die Notenbankgeldmenge (monetary base) besteht aus Noten im Umlauf und Giroguthaben inländischer Banken bei der Zentralbank. Und sie unterliegt fast vollständig der Kontrolle der Zentralbank, da diese durch den Verkauf oder Kauf von Vermögenswerten die Höhe der Geldbasis (monetary base) im Banken-System steuern kann. Die monetäre Basis wird auch als Liquidität bezeichnet.
Die Geldmenge, die hauptsächlich aus Bankeinlagen besteht, umfasst auch die im Umlauf befindlichen Banknoten und Münzen. Und sie wird von den Wirtschaftswissenschaftlern genau beobachtet, da ein Anstieg der Geldmenge bedeutet, dass mehr Geld für den privaten Sektor zum Ausgeben zur Verfügung steht, und somit die Wirtschaft und die Inflation ankurbelt.
Die Entscheidung der Zentralbank, den Geschäftsbanken Liquidität zur Verfügung zu stellen, erfolgt durch den Ankauf von Staatsanleihen dieser Banken. Die Käufe werden bezahlt, wenn die Zentralbank den Betrag auf den Konten der Geschäftsbanken gutschreibt, und zwar elektronisch.
Dadurch erhöht sich die Geldbasis (Notenbankgeldmenge), nicht aber die Geldmenge (money supply), da die bei der Zentralbank hinterlegten Mittel den Unternehmen und Haushalten noch nicht zum Ausgeben zur Verfügung stehen.
Bei der Vergabe eines Kredits erhöht die Geschäftsbank die Bankeinlage des Kreditnehmers um den Kreditbetrag und erhöht außerdem die Aktivseite ihrer Bilanz um den Betrag des neuen Kredits.
Zu diesem Zeitpunkt haben sowohl die Geldmenge als auch die Kreditvergabe der Banken zugenommen. Der Kreditnehmer kann nun die geliehenen Mittel nach eigenem Ermessen verwenden.
Daraus folgt, dass Geldbasis (Notenbankgeldmenge) ≠ Geldangebot (Geldmenge) ist. Das Geldangebot ist grösser als die Geldbasis. Im Übrigen ergibt Geldangebot dividiert durch Geldbasis den Geldschöpfungsmultiplikator.
Der Anstieg der Öl- und Benzinpreise ist derzeit das zentrale Phänomen in Europas Wirtschaft.
Und wir beobachten keine Flucht in die Sicherheit, sondern eine Ausweitung der Spreads als Folge der sich verschlechternden finanziellen Bedingungen, die die Schrumpfung der Risikoprämien unterbinden.
Keine moderne Zentralbank überwacht heute die Geldmenge, um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Es gibt keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Inflation, wie auch Fed-Chef Jerome Powell im August 2021 hervorgehoben hat.
Was darüber hinaus nicht in Vergessenheit geraten darf, ist, dass die Kreditschöpfung auch im Schattenbanken-System stattfindet, wo Kredite mittels Verbriefung (securitization) geschaffen werden. Ein Verfahren, welches dafür sorgt, dass auf Schulden basierende Vermögenswerte wie z.B. Hypotheken, Kreditkartenschulden und Auto-Kredite zusammen gepoolt und verkauft werden.
Die gegenwärtig laut werdenden Warnungen davor, dass die geplante Schaffung eines Anti-Fragmentierung-Instruments durch die EZB hohe Inflation auslösen würde, sind empirisch nicht gestützt.
Die von der Zentralbank durchgeführte Geldpolitik hat Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Der dabei festgelegte Zinssatz leitet sich aus Inflation und Erwartungen ab. Die Zentralbank richtet sich dabei nicht nach der «debt-to-GDP» ratio, da Geldpolitik und Fiskalpolitik untrennbar sind. Die Trennung ist nur in den Maastricht-Verträgen verankert, was die Umsetzung einer wachstumsfreundlichen Wirtschaftspolitik praktisch verunmöglicht.