Am Mittwoch wurde das Sitzungsprotokoll («minutes») der US-Notenbank (Fed) von 14-15 Dezember 2021 veröffentlicht.
Die Mitglieder des geldpolitischen Offenmarktausschusses (FOMC) notieren mit Nachdruck die bevorstehende Straffung der Geldpolitik und unterstreichen u.a. die folgende Aussage (meine Übersetzung vom Englischen):
«Es könnte sich als gerechtfertigt erweisen, den Leitzins früher oder schneller zu erhöhen, als die Teilnehmer zuvor erwartet hatten. Einige Teilnehmer merkten auch an, dass es angebracht sein könnte, relativ bald nach Beginn der Anhebung des Leitzinses mit dem Abbau der Bilanz der Federal Reserve zu beginnen».
Obwohl die Fed vor Monaten angedeutet hat, das Anleihekauf-Programm auslaufen zu lassen, hat der Ton nach der Herausgabe der Sitzungsnotizen im Markt Nervosität ausgelöst:
Der Aktienmarkt hat nachgelassen. Vor allem Tech-Aktien kamen unter die Räder. Aber auch der Anleihemarkt hat negativ darauf reagiert. Der US-Dollar hat an Wert gewonnen und der Bitcoin (*) ist heruntergestürzt.
Dass Aktien-Märkte im historischen Vergleich überbewertet sind, gibt es keinen Zweifel daran.
Das von Robert J. Shiller erfundene konjunkturbereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE rate) erreichte im Herbst letzten Jahres 38,3 und nähert sich damit rasch dem Multiplikator von 44,2, der auf dem Höhepunkt des Dotcom-Booms erreicht wurde.
Die Kapitalisierung des US-Aktienmarkts als Vielfaches des BSP, eine von Warren Buffett bevorzugte Kennzahl, erreichte im zweiten Quartal 2021 ein Allzeithoch von 2,8, verglichen mit einem Spitzenwert von 1,9 in der Dotcom-Zeit.
Die Fed-Funds-Futures deuten nun auf eine fast 80-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Zinserhöhung auf 0,25% bei der Fed-Sitzung im März und auf Zinssätze um 0,80% bis Ende des Jahres hin.
Die zunehmenden Zinserhöhungserwartungen in den USA griffen auch auf die europäischen Märkte über.
Geldmarkt-Futures, die auf die Oktober-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) datiert sind, zeigen, dass eine Zinserhöhung um 10 Basispunkte fast vollständig eingepreist ist. Sie gehen auch von einer Straffung um 15 Basispunkte im Dezember aus, gegenüber etwa 13 Basispunkten am Mittwoch.
Unsichere Wirtschaftsaussichten führen dazu, dass Einzelpersonen und Unternehmen ihre Ausgaben einschränken. Der COVID19-Schock hat vor diesem Hintergrund zu einer allgemeinen Straffung der Kreditbedingungen geführt. Der Einsatz von Fiscal Stimulus war daher richtig und notwendig.
Höhere Zinssätze würden aber die Kosten für die Kreditaufnahme erhöhen, was dazu führen würde, dass die Ausgaben des privaten Sektors sinken und das Wirtschaftswachstum sich verlangsamt.
Außerdem würden dadurch die Carry-Kosten der öffentlichen Hand steigen. Was oben darauf wichtig ist: Würde dem Fiscal Stimulus eine erneute Fiscal Austerity folgen, bestünde die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzt.
Die hohe Inflationsrate ist ein echtes Problem. Aber die Chancen stehen gut, dass die Inflation im Laufe des Jahres 2022 allmählich zurückgeht, wenn die Regierungen die verbleibenden Probleme in der Lieferkette («supply chain») in den Griff bekommen.
Eine QE-Politik (mengenmässige Lockerung der Geldpolitik) ist laut Fed bei diesem Tempo der wirtschaftlichen Erholung einfach nicht mehr vonnöten.
Aus dem Protokoll geht hervor, dass Uneinigkeit darüber herrscht, ob die Vollbeschäftigung bereits erreicht ist oder nicht.
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Im Übrigen: Die «Crypto-Währung» erweist sich damit als «pro-cyclical asset», wie Jeff Curie von Goldman Sachs in einem Interview mit dem BloombergTV am Donnerstag hervorgehoben hat.