Nach der Ankündigung der US-Notenbank (Fed) am vergangenen Mittwoch können die Anleger inzwischen aufatmen.
Denn die Fed hat den Zyklus der Zinserhöhungen beendet.
In der Tat legten die Aktien aufgrund einer Reihe günstiger Daten (z.B. US-Einzelhandel) zu, und die Renditen von Staatsanleihen fielen, da die Aussichten für die Zinssätze im nächsten Jahr günstiger erscheinen.
Die Anleger hoffen nun zunehmend auf eine sanfte Landung («soft landing») der US-Wirtschaft.
Was lässt sich nun mit Blick auf die Zukunft sagen?
Es geht v.a. um die unvorteilhaften Auswirkungen höherer Zinssätze auf das Wachstum und die Arbeitsmärkte. Das ist zweifelsfrei.
Doch Inflation wird sicherlich kein Thema sein.
Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass die Inflation auch bei angeblich so angespannten Arbeitsmärkten und einem über dem Trend liegenden Wachstum zurückgehen kann.
Der heftige Preisschub war ohnehin vorübergehend (transitorisch), bedingt durch die Störungen auf der Angebotsseite, ausgelöst durch die COVID19 Pandemie und Putins Krieg in der Ukraine.
Während eine taubenhafte Fed anhand des «dot-plot» genannten Punkt-Diagrams des geldpolitischen Ausschusses (FOMC) erste Zinssenkungen im kommenden Jahr signalisiert, beharrt die EZB auf dieser Seite des Atlantiks auf ihre unerträgliche Besessenheit von der Alchemie der «monetary austerity».
Sollte die EZB daran festhalten, dürfte die bestehende restriktive Geldpolitik eine sanfte Landung der europäischen Wirtschaft ohne weiteres verunmöglichen.
Mit Sicherheit werden folglich viele Menschen in Europa auf der Strecke bleiben.
Das produzierende Gewerbe im Euro Raum steht weiterhin unter Druck. Die industrielle Produktion in Deutschland ist den fünften Monat in Folge zurückgefallen.
Doch die EZB agiert davon unberührt und kündigt an, ihre «Wachsamkeit nicht aufgeben zu wollen».
"Die inländische Inflation wird weitgehend durch die Lohnkosten in den 20 Ländern, die den Euro verwenden, bestimmt"
Das ist ganz gewiss eine Täuschung à la "der Geist eines hungrigen Gespenstes".
Denn wie aus einem Chart, den das US-Schatzamt (per Zufall) am gleichen Tag (Ironie des Schicksals) des EZB-Statements vorgelegt hat, hervorgeht, verlaufen die Real-Löhne in Deutschland, der grössten Volkswirtschaft Europas, schon seit länger Zeit negativ.
Was vor diesem Hintergrund auch nicht in Vergessenheit geraten darf, ist die Doppelfunktion der Löhne.
Einerseits ist der Lohn oft der wichtigste Kostenfaktor für Unternehmen, andererseits bestimmt er die Nachfrage, denn die Menschen verwenden ihr Einkommen für den Konsum, der wiederum Einnahmen für Unternehmen generiert.
Mary Daly, Präsidentin der Fed von San Francisco, sagt in einem WSJ-Interview am Montag, dass sie die Auswirkungen der restriktiven Politik auf den Arbeitsmarkt beobachte.
Wenn die Arbeitslosenquote zu steigen beginnt, steigt sie i.d.R. sehr stark an und nicht nur ein wenig, sagte Daly.
Folglich "müssen wir vorausschauend handeln und sicherstellen, dass wir den Menschen keine Preisstabilität geben, wenn wir ihnen im Gegenzug Arbeitsplätze wegnehmen".
Daly sagte, sie sei der Meinung, dass die Zinspolitik in einer "guten Position" sei, um dieses Ziel zu erreichen. In einem bemerkenswerten Schwenk sagte sie, dass der Fokus der Fed nun darauf gerichtet werden müsse, beide Seiten ihres Mandats zu berücksichtigen.
Das heisst, dass Zinssenkungen notwendig sein könnten, um eine zu starke Straffung der Geldpolitik («over-tightening») zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund unterstreicht Stephanie Kelton, Stony Brook University in einem aktuellen Interview mit dem Jacobin Magazine, dass der Markt uns zu dienen hat, nicht umgekehrt.
Fazit:
"Zinssenkung" und "Lockerung der Geldpolitik" sind zwar verwandte Begriffe, die sich jedoch auf leicht unterschiedliche Aspekte der allgemeinen Geldpolitik beziehen.
Die Senkung der Zinssätze ist eine spezifische Maßnahme im Rahmen der breiteren Strategie der geldpolitischen Lockerung.
Wenn die Zentralbank eine geldpolitische Lockerung vornimmt, kann sie eine Kombination aus Zinssenkungen und anderen Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums einsetzen.
Die Wahl der Instrumente hängt von den wirtschaftlichen Bedingungen und der Einschätzung der Zentralbank ab, was am effektivsten ist, um ihre Ziele, wie stabile Preise und eine möglichst nachhaltige Beschäftigung, zu erreichen.
Die EZB kann sich aber allem Anschein nach nicht einmal mit einer Zinssenkung anfreunden, geschweige denn mit der Lockerung der Geldpolitik.
Das ist traurig.
Das (wirtschaftliche) Leben ist keine Hypothese, die eine Zentralbank ohne Konsequenzen testen und wieder testen kann.
Bonus Chart zum Thema “sellers’ inflation” (Isabella Weber):
Die Steuergesetzgebung scheint heute einen wichtigen strukturellen Wettbewerbsvorteil für große, superprofitable Konzerne gegenüber ihren kleineren Konkurrenten zu bieten.
Mehr noch, anstatt diese Gewinne in produktive Kapazitäten zu investieren - wie z.B. die Erhöhung der Beschäftigung und der Löhne - haben die Unternehmen die Auszahlungen an die Aktionäre verdoppelt.