Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10-Jahren Laufzeit ist am Mittwoch erstmals seit Mai 2019 über null Prozent gestiegen. Im Verlauf des Handels am Nachmittag ist sie allerdings wieder in den negativen Bereich gerutscht: -0,006%.
Das Geschehen am deutschen Anleihemarkt steht derzeit sicherlich unter dem Einfluss des US-Treasury-Marktes, auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantiks unterschiedlich vonstatten geht.
Eine wichtige Frage ist daher, inwieweit die höheren Renditen von den USA auf Europa übertragen werden. Und was die EZB gegen die unnötige Straffung der finanziellen Bedingungen in Europa unternehmen würde?
Auf Fragen wie, "wenn Sie sich irren, zahlen wir alle einen hohen Preis", hat Isabel Schnabel, Mitglied im Direktorium der EZB, in einem jüngsten Interview geantwortet, dass "voreiliges Handeln auch seinen Preis hätte: Es könnte den beginnenden Aufschwung bremsen, und das würde Arbeitsplätze gefährden."
Die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin, Professorin für Finanzmarkt-Theorie an der Uni Bonn, hat weiter erläutert, dass die EZB auf mittlere Sicht davon ausgeht, dass die Inflation deutlich sinkt. Das sei der Grund, warum die EZB derzeit nicht die Zinsen erhöhe, wie manche fordern.
Es ist offensichtlich, dass das Tempo der «Normalisierung» der Geldpolitik durch die EZB mit ziemlicher Sicherheit moderater ausfallen wird als das der Fed.
Die Produktionslücke (“output gap”) in der Eurozone ist nach wie vor beträchtlich, und es ist kein Lohndruck in Sicht. Es ist wichtig, in Erinnerung zu rufen, dass die Geldpolitik den Öl- oder Gaspreis nicht senken kann.
Und es gibt in der Tat keine Anzeichen für eine Überhitzung der Wirtschaft in der Eurozone, und eine Rücknahme der geld- und fiskal-politischen Anreize wäre ein Fehler. Aber der deutsche Finanzminister Christian Lindner reden davon, dass er "ein freundlicher Falke" sei.
Das ist eine merkwürdige Aussage.
Prof. Michael Pettis bringt es in einem Meinungsartikel in FT auf den Punkt: «Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beruht vor allem auf den im Verhältnis zur Produktivität niedrigen Löhnen, die die Arbeitnehmer erhalten.»
Da die Arbeitslosigkeit in den USA mittlerweile unter 4% gesunken ist, wird erwartet, dass die Fed bald zu dem Schluss kommen dürfte, die maximale Beschäftigung für erreicht zu erklären, d.h. das niedrigste nachhaltige Niveau, bevor die Inflation in die Höhe getrieben wird.
Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, dass die Fed die Nachfrage-Unterstützung weiter zurückfahren will, durch die Beendigung der Ankäufe von Vermögenswerten am offenen Markt und den Abbau der Bilanzsumme. Dazu gehören aber auch bescheidene Erhöhungen des Leitzinses (Fed Funds Rate).
Das weitere Vorgehen hängt aber von den kommenden Daten über die Pandemie, die Arbeitsplätze und die Inflation ab.
Wir wissen natürlich, dass eine Wirtschaft gesünder und stärker ist, wenn so viele Menschen wie möglich arbeiten können, wie Fed-Präsident Jerome Powell in einem ausgezeichneten Vortrag am 9. November 2021 in Washington bekräftigt hat.
Mit anderen Worten kann die Arbeitslosenquote uns weiter nach unten positiv überraschen.
Bemerkenswert, dass Philipp Hildebrand, der frühere SNB-Präsident, am Mittwoch gegenüber Francine Lacqua von Bloomberg TV gesagt hat, dass die Inflation eine Frage von Lieferketten-Beschränkungen ist.
«Es geht um die Wiederbelebung der Wirtschaft» und es ist laut Hildebrand «nicht hilfreich, die Zinssätze zu erhöhen» - dies ist eine ungewöhnliche Situation.
Bei seiner Bestätigungsanhörung vor dem US-Senat in der vergangenen Woche wies Powell darauf hin, dass der Zusammenbruch der Versorgungskette («supply chain») und der Schock bei den Arbeitskräften in der amerikanischen Geschichte beispiellos waren.
Er erklärte auch, dass die Instrumente der Fed auf die Nachfrageseite und nicht auf die Angebotsseite der US-Wirtschaft abzielen. Und er gab zu, dass der Druck, mit dem wir konfrontiert sind, hauptsächlich von der Angebotsseite ausgeht. «Wir haben nicht viele Möglichkeiten, die Angebotsseite zu beeinflussen.»
Schnallen Sie sich bitte an.