Deutschland hat im Mai sein erstes monatliches Handelsdefizit seit 1991 verzeichnet, wie Statistisches Bundesamt am Montag gemeldet hat.
Die Ausfuhren sind auf €125,8Mrd. (-0.5% zum Vormonat und +11,7% zum Vorjahresmonat) gestiegen, während die Einfuhren auf €127,7Mrd. (+2,7% zum Vormonat und +27,8Mrd. zum Vorjahresmonat) geklettert sind.
Daraus ergibt sich ein Defizit von €1Mrd. für den Monat Mai 2022.
Zum Hintergrund: Während sich die wirtschaftlichen Aussichten eintrüben, sehen sich die Unternehmen mit steigenden Kosten für Importe und einer schwächeren Nachfrage nach ihren Produkten konfrontiert.
Russlands Einmarsch in der Ukraine und Chinas Covid-bedingte Abriegelungen («lockdowns») bringen die internationalen Lieferketten («supply-chain») durcheinander, mit erheblichen Auswirkungen auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft.
Die Preise für Importe wie Energie, Nahrungsmittel und Teile, die von der Industrie verwendet werden, stiegen im Mai um mehr als 30% gegenüber dem Vorjahr, während die Preise für Exporte nur etwa halb so stark stiegen, wie Bloomberg berichtet.
Auch wenn die Daten inflationsbereinigt weniger bemerkenswert aussehen, dürfte der Außenhandel immer noch einen negativen Beitrag zum deutschen Wachstum leisten.
Länder mit grossen Überschüssen im Aussenhandel haben die Überschüsse nur, weil sie nicht alles verbrauchen, was sie herstellen. Und das macht sie zugleich anfällig für einen Rückgang des internationalen Handels.
Das heisst, dass diese Länder (mit Überschuss in der Leistungsbilanz) unter ihren Verhältnissen leben.
Zur Erinnerung:
Länder mit großen Handelsüberschüssen sind Nettoabsorber der globalen Nachfrage, keine Wachstumsmotoren. Was helfen wird, ist ein Ausgleich der Kluft zwischen inländischen Ersparnissen und inländischen Investitionen.
Es gilt eine makroökonomische Buchhaltungsidentität nicht vor Augen zu verlieren: Ersparnis = BIP minus Konsum.
Deutschland exportiert seine überschüssigen Ersparnisse und importiert ausländische Nachfrage für die inländische Produktion, weil zu viel Sparen (fiscal austerity, «schwarze Null» usw.) zu einer unzureichenden Nachfrage nach Wirtschaftsleistung führt.
Die Wiederherstellung des Gleichgewichts bedeutet 1) einen sinkenden Leistungsbilanz-Überschuss und 2) eine Verringerung des extremen Anspruchs auf die weltweite Nachfrage.
Gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Debatte um das geplante neue Anti-Fragmentierungsinstrument der EZB gilt es zu beachten, dass Spanien und Italien sich nicht aus eigener Kraft erholen können.
Deutschland muss den Binnenkonsum ankurbeln, um seinen Handelsbilanzüberschuss in ein gleiches Defizit zu verwandeln, wie Prof. Michael Pettis in seinem lesenswerten Buch («The Great Rebalancing») ausführlich erläutert.
Die Euro-Krise, die immer noch nicht gelöst ist, ist eine Krise der relativen Wettbewerbsfähigkeit, eine Folge der Ungleichgewichte im Binnenhandel. Abnormale Ersparnisraten über lange Zeiträume sind größtenteils eine Folge der Handels- und Industriepolitik im In- und Ausland.
In der EWU müssen die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse zu Leistungsbilanzdefiziten in anderen Ländern der europäischen Peripherie führen.
Wenn die deutsche Währung im Verhältnis zu anderen Euro-Partnern unterbewertet ist, muss die spanische oder italienische Währung per Definition überbewertet sein. Wenn Deutschland weniger konsumiert als produziert, dann müssen Spanien oder Italien mehr konsumieren als produzieren (d.h. Überkonsum).
Die Probleme Italiens und Spaniens können am besten durch eine deutsche Anpassung gelöst werden. Das bedeutet, dass Deutschland den Binnenkonsum ankurbeln und seinen Handelsbilanzüberschuss umkehren muss.