Economic Policy: US (“go big, go early”) vs EU (“depression nap”)
A high-pressure economy – Not overheating
Joe Biden (82) hat im CNN-Fernsehstudio in Atlanta ohne Zweifel enttäuscht. Doch sein Herausforderer war auch nicht besser.
Donald Trump (78) schreckt davor nicht zurück, Unsinn zu behaupten und Unwahrheiten zu verbreiten. Eindämmung von Migration ist ohne Zweifel der Schwerpunkt der Wahl-Kampagne von Trump.
Die «Gefahr der Überfremdung» ist praktisch das zentrale Thema aller rechtspopulistischen Strömungen auch in Europa. Aus Zuwanderung werden alle aktuellen wirtschafts- und sozialpolitisch begründeten Probleme abgeleitet.
Mit keinem Thema betreiben die Republikaner so lustvoll Polemik wie mit der Behauptung, dass Biden Amerika "zerstöre", indem er eine "Invasion" von Migranten zulasse, so die Zeit aus Hamburg.
Doch Fakten zur Einwanderung legen nahe, dass immer mehr Menschen einen “Migrationshintergrund” haben.
In der Schweiz beispielsweise gehen hohe Zuwanderung und eine wachsende Beschäftigung Hand in Hand. Entsprechend sind diejenigen europäischen Länder mit überdurchschnittlichem Beschäftigungswachstum auch diejenigen mit einer hohen Zuwanderung, wie Boris Zürcher von SECO mit Nachdruck hervorhebt.
Mit einem jährlichen Zuwachs um rund 1% war die Beschäftigungsdynamik in der Schweiz über die vergangenen 20 Jahre hinweg im Vergleich zur EU insgesamt deutlich überdurchschnittlich.
Die Erwerbstätigenquote der einheimischen Bevölkerung liegt heute bei 82%. Das ist sehr hoch und widerspiegelt eine tiefe Arbeitslosigkeit und eine hohe Erwerbsbeteiligung der Schweizerinnen und Schweizer.
Darüber hinaus ist es von grosser Bedeutung, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Schweizer Inflationsrate unter dem Zielwert der Schweizer Nationalbank (SNB) liegt. Um es noch einmal zu unterstreichen: Das Beschäftigungswachstum ist gänzlich anspornend, und zwar mit Hilfe der Einwanderung. Doch schimpfen manche Spinner in Zürich über eine "unkontrollierte Migration in den kulturell überlegenen Westen". Eine Schande.
Die Schweiz gehört auch im Jahr 2023 zu den attraktivsten OECD-Ländern für qualifizierte Zuwanderer (OECD 2024). Ein starker Arbeitsmarkt und hohe Löhne haben dazu beigetragen, qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuziehen und zu absorbieren, berichtet der IWF in einer aktuellen Analyse.
Da die SNB keine Zweitrundeneffekte erwartet, war es auch möglich, die aktuelle Inflationsprognose trotz der jüngsten Leitzinssenkung zu senken.
Die Kombination von hoher Zuwanderung, hoher Beschäftigung und einer Inflationsrate unter dem Zielwert der Zentralbank ist also durchaus erdenklich. Damit ist es wichtig, erneut zu bekräftigen, dass Austerität eine gefährliche Idee ist und bleibt, die lediglich den "rechten Spinnern" nützt.
Der Grundgedanke des Monetarismus (ein Verhältnis von 1:1 zwischen Geldmengen- und Preisniveauveränderungen) ist in der Praxis nicht haltbar.
Die Schweiz hat ein Verhältnis von Devisenvermögen zum BIP von etwa 120%. Die SNB erwarb ihre gesamten Devisenreserven im Wesentlichen durch das Drucken von Schweizer Franken, indem sie ihre Geldmenge erhöhte. Der Geldmengen-Aggregat M2 wuchs im Gleichschritt mit der Akkumulation von Devisenreserven. Der Anstieg von M2 führte jedoch nicht zu einer Inflation (Punkt.).
Im Falle der Schweiz wurden die Devisenreserven durch die Bemühungen der SNB gebildet, die steigende weltweite Nachfrage nach sicheren Schweizer-Franken-Anlagen während der Krise zu befriedigen und dadurch eine übermäßige Aufwertung des CHF zu vermeiden.
Zu Beginn der Pandemie entschieden sich die geld- und fiskalpolitischen Entscheidungsträger in den USA für eine umfassende und frühzeitige politische Unterstützung («go big, go early») der Wirtschaft und der Menschen.
Wie Julia Coronado dazu in einem Meinungsartikel bei FT bemerkt, war es politisch nicht schwer, Unterstützung («stimulus») zu leisten, da niemand an der Pandemie selbst schuld war und die Zeit drängte.
Zum Teil spiegelte die Entscheidung aber auch den Zeitgeist in politischen Kreisen wider, dass die nach der Finanzkrise (GFC 2008) getroffenen Entscheidungen tragischerweise zaghaft waren und zu einer schmerzhaften und unnötig langsamen Erholung führten.
Doch während der «go big, go early» Ansatz in Sachen Geld- und Fiskal-Politik der US-Administration zu einer sanften Landung («soft landing») mit höherer Produktivität und mehr Arbeitsplätzen führte, erstarrt die EU im Sog des Orakels der "letzten Meile" wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Und die ausgeprägte Besessenheit von rückwärts-gewandter Datenabhängigkeit zusammen mit steinzeitlichen Finanzregeln erweist der EZB einen Bärendienst.
Indem die EZB die restriktive Geldpolitik nicht lockert, scheint sie auf einen scheiternden Arbeitsmarkt und nicht auf eine bestimmte Inflationsrate abzuzielen.
Doch die Geldpolitik ist keine Hypothese, die eine Zentralbank ohne Konsequenzen testen und wieder testen könnte. Irgendetwas geht immer schief. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die zu straffe Geldpolitik der EZB eine sanfte Landung in Europa verschärft.
Es ist an der Zeit, mit der Inflationsbesessenheit aufzuhören und die anhaltende Stagnation im Euroraum in Angriff zu nehmen, da der geldpolitische Sparkurs der EZB zum Scheitern verurteilt ist.
Die jüngsten Äußerungen von Notenbankvertretern (die sich in erster Linie auf die kürzlich veröffentlichten Daten stützen) erwecken den Eindruck, als ob die viel beschworene "Datenabhängigkeit" der Fed und der EZB zwischen Rosinen-Pickerei (”cherry picking”) und einem Rorschach-Test schwanken würde. Das ist nicht lustig, sondern hysterisch.