Peter Dietsch, François Claveau and Clément Fontan: Do central banks serve the people? Polity Books, Cambridge, UK, 2018.
Die Zentralbanken haben das Monopol für die Ausgabe gesetzlicher Zahlungsmittel. Das ist das Merkmal, das sie von allen Institutionen in einem Währungsraum unterscheidet.
Die Zentralbank («exogenous money») ist aber nicht die einzige Institution, die "Geld schafft".
Tatsächlich sind die Geschäftsbanken («endogenous money») heute die wichtigsten Geldschöpfer (*), aber das Zentralbankgeld hat einen besonderen Status: Es ist die ultimative Form der Verrechnung zwischen Wirtschaftsakteuren.
Dieses Monopol versetzt die Zentralbanken in eine günstige Position, um zwei Ziele zu verfolgen: Finanzstabilität und Preisstabilität.
Die Zentralbank kann in Zeiten finanzieller Turbulenzen als Kreditgeber der letzten Instanz (lender of last resort) eingreifen, da sie ohne Einschränkungen Liquidität schaffen und durch die Manipulation des Kreditpreises zu einem stabilen Preisniveau beitragen kann.
Die Zentralbanken scheinen heute den Menschen in ihrem Währungsgebiet aber nicht optimal zu dienen.
Warum?
Weil es laut Autoren dieses Buches hauptsächlich drei Herausforderungen gibt.
(1) «Inequalities»: Die inegalitären Auswirkungen der Geldpolitik, offensichtlich v.a. seit der Krise von 2007-2008 (GFC), durch z.B. die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik, genannt QE («quantitative easing»); Ankauf von «financial assets» am offenen Markt durch die Zentralbank.
(2) «Financial dominance»: Die derzeitige institutionelle Konfiguration begünstigt die Interessen des Finanzsektors auf Kosten des breiteren öffentlichen Interesses.
(3) «Central bank expertise»: Ein Interessenkonflikt innerhalb der Zentralbanken zwischen zwei Arten von Fachwissen, das sie produzieren, was das Vertrauen in die Informationen, die sie zu bestimmten Themen liefern, untergräbt.
Der Kern des Problems besteht laut Autoren darin, dass die Interessen der Zentralbanken an der Kontrolle des Geldsystems, d. h. an der erfolgreichen Tätigkeit als Regulierungsexperten (regulatory experts), ihrer Tätigkeit als unabhängige und unparteiische Sachverständige (testimonial experts) im Wege stehen.
Gemeint ist die Homogenität der Entscheidungsträger der Zentralbanken und die Konzentration der geldpolitischen wissenschaftlichen Forschung unter der Schirmherrschaft der Zentralbanken.
Mit Janet Yellen von der Fed als bemerkenswerter Ausnahme sind Zentralbanker in westlichen Volkswirtschaften i.d.R. ältere weiße Männer, die in den Mainstream-Ökonomien ausgebildet wurden und einen Hintergrund im Finanzsektor haben. Es braucht mehr Frauen und z.B. ethnische Vielfalt.
Die großen Zentralbanken glaubten fälschlicherweise, dass vollständigere Märkte, die sich auf Finanzinnovationen wie Verbriefungen («securitisation») und Derivate stützen, die Finanzmärkte effizienter und stabiler machen würden. Das Gegenteil war der Fall.
Die GFC hat deutlich gezeigt, dass die Finanzialisierung private finanzielle Interessen nicht mit dem Gemeinwohl in Einklang bringt.
In Europa beispielsweise dominiert nach wie vor das problematische Modell des marktbasierten Bankings.
Die Autoren unterbreiten in diesem vor rund vier Jahren verfasstes, aber nach wie vor brisant aktuellen Buch zum Schluss zweierlei Vorschläge: 1) sofortige Reformen und 2) grundlegende Reformen.
Fazit: Wir sollten beim nächsten Mal besser darauf vorbereitet sein, zwei beunruhigende Trends moderner Volkswirtschaften anzugehen: zunehmende sozio-ökonomische Ungleichheiten und zunehmende Finanzialisierung.
Dieses Buch ist zum Thema “Central Banking” eine Pflicht-Lektüre.
(*) Shadow Banking («near money»)
(**) Unter “Finanzialisierung” versteht man das Wachstum des Finanzsektors gegenüber dem Nicht-Finanzsektor und die zunehmende Abhängigkeit des Nicht-Finanzsektors von der Finanzlogik, z. B. die wachsende Bedeutung des Shareholder-Value-Konzeptes für die Geschäftstätigkeit von Unternehmen.