Liquiditätsfalle ist in der Volkswirtschaftslehre (VWL) ein von John Maynard Keynes geprägter Begriff, der eine Situation beschreibt, in der die Zinssätze nahe bei null liegen und ein Anstieg der Geldmenge sich in den Änderungen des Preisniveaus nicht niederschlägt.
Das heisst, dass die konventionelle Geldpolitik an Zugkraft verliert, wenn die nominalen Zinsen auf der Nullzins-Grenze (“zero lower bound”) aufprallen.
Menschen horten Bargeld, weil sie aufgrund unzureichender Gesamtnachfrage mit Deflation rechnen. Deshalb ist es entscheidend, dass die Fiskalpolitik zum Einsatz kommt, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen.
Da die EU von Anfang an eine restriktive Fiskalpolitik auf ihre Fahne geschrieben hat, wurde die Liquiditätsfalle, in der die Eurozone seit geraumer Zeit steckt, durch den strikten Sparkurs (z.B. in Form von rigiden debt-to-GDP ratios und Schuldenbremse) der jüngsten Vergangenheit noch weiter verschlimmert.
Vor diesem Hintergrund ist die Aussage von Fabio Panetta, dem Direktoriumsmitglied der EZB bemerkenswert. Panetta sagte am Montag wort-wörtlich, dass die Inflation in der Eurozone heute näher am 2%-Ziel der EZB hätte liegen können, wenn die Fiskalpolitik antizyklisch gehandelt und sich um die Beseitigung der Produktionslücke (output gap) bemüht hätte.
Das sind ganz neue Töne vom Sitz der EZB aus Frankfurt am Main. Völlig ungewöhnlich, aber von besonderer Bedeutung, weil Panetta damit den Nagel auf den Kopf trifft.
Ferner ist das Fazit des Mitglieds des EZB-Direktoriums aufschlussreich:
Eine Rückkehr der makroökonomischen Politik zum Status quo vor der Pandemie (gemeint sind im Grunde genommen: fiskalische Austerität, Schuldenbremse, Lohnzurückhaltung uws.) eine immens verpasste Chance wäre, anhand von flexibler Geldpolitik und monetär-fiskalischer Wechselwirkungen dazu beizutragen, dass die Währungsunion besser funktioniert.
„Wir haben jetzt die Chance, darauf aufzubauen und den Euroraum dauerhaft auf ein höheres Wachstumsniveau zu heben“, so Panetta als Schlussfolgerung.
Austerität ist in der Tat eine gefährliche Idee, wie Mark Blyth es einst zum Ausdruck gebracht hat.
Das US-BIP lag im 1Q2021 3% unter dem Trend, verglichen mit 7% unter dem Trend für die Eurozone. Und nach den Konsenserwartungen wird das US-BIP im 1Q2022 wieder den Trend erreichen, aber dies wird in der Eurozone nicht vor 2023 oder noch später der Fall sein, wie Nordea Research unterstreicht.
In der Eurozone sank das Arbeitseinkommen 2020 um 3,5%, aber das real verfügbare Einkommen der Haushalte sank nur um 0,3%, vor allem weil staatliche Transfers den Einkommensverlust kompensierten.
Quintessenz: Von wegen Überhitzung! Wir haben heute mit einer unterhitzten Wirtschaft zu tun. Vor allem in Europa wurde das Wachstum vor der COVID19-Krise durch einen exzessiven Fokus auf die Verschuldungsquoten und radikale fiskalische Austerität abgebremst. Dass das europäische BIP-Wachstum heute immer noch 7% unter dem Trend liegt, spricht Bände.