Deficit, Inflation and «Bond Vigilantes»
The myth that bond investors can attack a government debt market
Der Begriff „Bond Vigilantes“ wurde in den 1980er Jahren von Wall Street-Veteran Ed Yardeni geprägt und bezog sich auf Händler, die Staatsanleihen verkaufen, um zu zeigen, dass sie gegen Haushaltsdefizite protestieren. Im Ergebnis würden die Renditen in die Höhe getrieben.
In einer am Mittwoch veröffentlichten Notiz schreibt Yardeni, Präsident von Yardeni Research, dass die 10-jährige UST-Rendite um 63 Basispunkte auf 4,25 % gestiegen sei, seit die Fed auf ihrer Sitzung im letzten Monat eine Zinssenkung um einen halben Punkt angekündigt hat.
In den Exit Polls sagen die „Bond Vigilantes“, dass sie gegen die “dovishe” Geldpolitik des Fed-Vorsitzenden Jerome Powell stimmen, weil die Wirtschaft auf Hochtouren läuft und die verfrühte Zinssenkung der Fed um 50 Basispunkte am 18. September das Risiko einer Überhitzung der Wirtschaft erhöht“, so Yardeni.
In seiner Notiz argumentiert Yardeni weiter, dass die jüngsten Marktbewegungen auf die sich verschlechternden Aussichten für die Bundesdefizite zurückzuführen seien.
Das sind, bei allem Respekt, fragwürdige und zum Teil abwegige Argumente. Was wahr ist, dass die strukturellen Triebkräfte der Währungsmärkte sich verschieben, und zwar ausgelöst durch den ersten Zinsschritt der Fed (*) in vier Jahren.
Wie das US-Schatzamt unterstreicht, hat sich in den letzten Jahren die Nachfrage nach US-Staatsanleihen hin zu «preissensibleren Anlegern» verschoben.
Während einige dieser Verschiebungen konjunktureller Natur sind, könnten auch strukturelle Faktoren im Spiel sein.
Mittelfristig dürfte die Nachfrage von Investmentfonds, Pensionsfonds und Geldmarktfonds zunehmen, während die Nachfrage von
Banken und ausländischen Anlegern weiterhin etwas Gegenwind verspüren könnte.
Trotz der Nachfrageverschiebungen sind die Auktionen von Staatsanleihen weiterhin gut gezeichnet - die durchschnittlichen Auktionsergebnisse sind nicht gestiegen, auch wenn die Volatilität im Einklang mit der Markt-Volatilität zugenommen hat.
Es ist im Grunde genommen immer die alte Masche, wenn von „Bond Vigilantes“ die Rede ist:
Anleger auf dem Anleihemarkt agieren als disziplinierende Kraft, indem sie Staatsanleihen verkaufen, wenn sie der Ansicht sind, dass die Fiskal- oder Geldpolitik eines Landes nicht solide ist, insbesondere in Bezug auf Inflation oder Staatsausgaben.
Angeblich bestrafen die «Bond-Vigilantes» die Staaten, indem sie die Anleiherenditen in die Höhe treiben und Haushaltsdisziplin durch Marktdruck erzwingen. Das heisst, dass sie als «inoffizielle Kontrolle der Staatsausgaben» fungieren.
Als historische Beispiele werden auf den «Ausverkauf am US-Anleihemarkt 1994», «britische Währungskrise 1992» und verschiedene Schwellenländer-Krisen hingewiesen.
Als theoretischen Mechanismus dient die Annahme, dass Großanleger die Marktpreise beeinflussen und damit Druck für wirtschaftspolitische Anpassungen erzeugen können.
Doch historische Beweise zeigen, dass bei den meisten zitierten Beispielen mehrere Faktoren eine Rolle spielen und vor allem «Korrelation keine Kausalität» bedeutet.
Die Märkte reagieren oft nach wirtschaftspolitischen Veränderungen, nicht vorher.
Das Konzept «Bond Vigilantes» scheint daher eher für
kleinere Volkswirtschaften
Länder ohne Währungssouveränität
Länder mit Fremdwährungsschulden
zu gelten, theoretisch.
Die Grundlagen einer relevanten Ökonomik zeigen, dass die Zentralbanken die Zinskurven steuern können.
Die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik («QE = quantitative easing») beispielsweise zeigt die Grenzen des Marktes auf.
Zudem widersprechen auch Japans Erfahrungen dem Konzept «Bond Vigilantes». Kurzum: viele Länder weisen hohe Defizite auf, ohne dass der «Markt sie dafür bestraft».
Moderne Zentralbanken können die Renditen von Staatsanleihen wirksam lenken. Ein konkretes und jüngstes Beispiel ist die energische Reaktion der Fed auf die GFC von 2008 und COVID-19 Krise von 2020. Es ist der US-Notenbank gelungen, anhand von massiven QE-Programmen die Marktkräfte zu überwältigen. Die Renditen von Staatsanleihen sind trotz riesiger Defizite im Haushalt und in der Leistungsbilanz niedrig gehalten worden. “Bond Vigilantes” waren m.a.W. gegen die geldpolitischen Maßnahmen der Fed machtlos.
Der Fall des US-Anleihemarktes im Jahr 1994 wird oft als Paradebeispiel angeführt. Doch die ganze Aufregung um das Geschehen wurde damals tatsächlich durch die Straffung der Geldpolitik der Fed ausgelöst. Das heisst, dass der Markt der Fed folgte, nicht umgekehrt.
Auch die japanische Erfahrung mit einem Schuldenstand im Verhältnis zum BIP über 250% widerspricht dem Narrativ von «Bond Vigilantes».
Die japanischen Renditen verharren seit Jahrzehnten niedrig, trotz hoher Verschuldung der öffentlichen Hand.
Fazit: Es handelt sich beim Konzept «Bond Vigilantes» um ein Ablenkungsmanöver der neoklassischen Schule mit neoliberalem Ansatz. Ein Mythos. Das Ziel ist, den Staat zurückzudrängen, weil demnach der «Markt» die Lösung und der «Staat» das Problem ist.
Eine Regierung mit eigener Landeswährung muss kein zinsbringendes Instrument ausgeben, um ihre Ausgaben zu finanzieren: sie kann buchstäblich per Tastenanschlag («key stroke») Bargeld drucken und es wird eine gewisse Nachfrage danach geben, weil dieses Instrument das nominell risikofreie Instrument in der Wirtschaft ist. Der Grund für den Anstieg der Anleiherenditen sind nicht die „Bond Vigilantes“, sondern eine Reaktion auf die sich rasch erholende Wirtschaft.
Doch es gibt auch Lektionen um das Thema: Die Bedeutung der Kommunikation der Fed, die Risiken der Hebelwirkung bei festverzinslichen Wertpapieren, Auswirkungen von unerwarteten Veränderungen in der politischen Agenda und die Notwendigkeit eines angemessenen Risikomanagements dürfen nicht ausser Acht gelassen werden.
Eine Wirtschaft unter hohem Druck, mit pro-aktiv strategischer Industrie-Politik ist nicht Überhitzung. Der beste Weg, um Steuereinnahmen zu erhöhen, sind Investitionen in die Beschäftigung.
(*) Die Fed senkte am 18. September die Zinssätze um 50 Basispunkte und lockerte damit zum ersten Mal seit vier Jahren die Geldpolitik aufgrund von Fortschritten bei der Erfüllung des doppelten Mandats der Fed.
Die Entscheidung der Fed, die Geldpolitik zu lockern, dürfte das Wachstum stützen und den sich verlangsamenden Arbeitsmarkt stabilisieren. Damit könnte der gegenwärtige Konjunkturzyklus verlängert werden.