Martin Riker: The Guest Lecture, Black Cat, New York, January 2023
Das ist ein grossartiger akademischer Roman über Feminismus, Sprache, Liebe, Familie und Karriere.
Die Handlung des Buches umfasst lediglich nur eine einzige Szene, eine schlaflose Nacht, in der sich eine ironische Akademikerin (Abby) auf einen Vortrag über den Ökonomen John Maynard Keynes («pragmatic optimist») in einem Hotel-Zimmer vorbereitet, während ihr Ehemann (Ed) und ihre Tochter (Ali) nebenan schlafen.
Es geht um die Angst vor dem Scheitern, die moderne Wirtschaftsgeschichte, die Logik der Erinnerung und mehr.
Doch sie weiß sich zu helfen, indem sie Teile ihrer Rede mithilfe einer alten rhetorischen Methode («Cicero’s loci method») verschiedenen Räumen in ihrem Haus zuordnet. Und das Beste daran ist, dass sie einen imaginären Begleiter hat, der sie tröstet und auf dem Laufenden hält: Keynes selbst.
Wenn es um Methoden des Auswendiglernens geht, sollten Sie sich mit der antiken Rhetorikerin Aspasia aus Milet (eine antike Stadt an der Westküste der heutigen Türkei) befassen, so der Autor mit Nachdruck.
Aspasia war die Partnerin des Staatsmannes Perikles nicht Konkubine, Partnerin und Lehrerin von Sokrates, Platons eigenem geliebten Lehrer, zu einer Zeit, als es solche Rollen für Frauen einfach nicht gab.
Es gibt Hinweise darauf, dass es Aspasia war, die die Methode des «Argumentierens durch Fragen» erfunden hat, die als sokratische Methode in die Geschichte eingegangen ist und die laut Martin Riker «das Fundament der patriarchalischen westlichen intellektuellen Tradition» bildet.
«Hinter jedem großartigen Mann steht die rhetorische Methode einer großartigen Frau».
Leider ist von Aspasias eigenen Schriften nichts erhalten geblieben, sodass wir uns auf das beschränken müssen, was Männer über sie sagten. Geschichte ist natürlich alles, was die Sager sagen.
In einem weiteren faszinierenden Abschnitt präsentiert Riker ein konkretes Beispiel dafür, wie Keynes die enorme Tragweite eines Problems erkannte und wie eine praktikable Lösung von mächtigeren Leuten mit Eigeninteressen unterdrückt wurde:
Auf der Pariser Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg, als Woodrow Wilson für seine Vierzehn Punkte und seinen Völkerbund warb, drängte Keynes auf einen europäischen Schuldenerlass und eine Verringerung der massiven Reparationszahlungen, die die Alliierten Deutschland aufbürden wollten.
Keynes entwickelte einen ungewöhnlichen, aber praktikablen Plan, sein "Grand Scheme", der vorsah, dass Deutschland Anleihen zur Deckung der Reparationskosten ausgeben sollte, die jedoch vom Völkerbund abgesichert werden sollten, da niemand, der bei Verstand war, Anleihen kaufen würde, die durch das todgeweihte Deutschland abgesichert waren.
Mit anderen Worten: Die Anleihen würden von denjenigen besichert, an die die Reparationen gezahlt werden sollten - eine Art Hütchenspiel, wie Martin Riker im Buch weiter beschreibt, bei dem alle bezahlt wurden, und ein Weg, den diplomatischen Frieden zu erreichen, für den Wilson in Paris geworben hatte.
Aber Wilsons Leute in Paris waren allesamt Banker, keine Wirtschaftswissenschaftler, sondern Banker, und die Banker konnten es nicht ertragen, Schulden loszulassen. Außerdem fiel ihnen auf, dass das einzige Mitglied des Völkerbundes, das zu dieser Zeit über Geld verfügte, die USA war, was bedeutete, dass die Aussage, der Völkerbund würde die Anleihen unterstützen, eigentlich nur bedeutete, dass die USA dafür bezahlen würden.
Auch waren sie nicht bereit, ihre neu gewonnene Macht über die Weltwirtschaft aufzugeben, selbst wenn es sich um den Völkerbund handelte, der ursprünglich Wilsons Idee war.
Keynes' Grand Scheme floppte also. Deutschland wurde mit unmöglichen Schulden überhäuft, der Faschismus setzte sich durch, und wir landeten im Zweiten Weltkrieg.
Zu guter Letzt:
Können Männer erfolgreich über Frauen schreiben? Es ist schwer zu sagen.
Aber Martin Rikers profundes Werk ist wahrscheinlich eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Denn Abigails Stimme fühlt sich authentisch an. Und das ist ohne Zweifel ein grandioses, erkenntnisreiches Buch, unbedingt lesenswert.