Das Ende der Austerität
Der beste Weg, Staatsfinanzen zu sanieren, ist, die Beschäftigung und die Einkommen zu erhöhen.
Das Hilfspaket im Umfang von 1,9 Billionen USD, das US-Präsident Joe Biden im Kampf gegen die globale Pandemie für die US-Wirtschaft und damit im Grunde genommen auch für den Rest der Welt bereitstellt, ist zugleich eine klare Absage an die Austeritätspolitik im Allgemeinen.
Die negativen Auswirkungen des harschen Sparkurses auf das Wirtschaftswachstum nach der GFC (Global Financial Crisis) von 2008-2009 im Besonderen sprechen Bände. Niemand mit wachen Sinnen bezweifelt, dass es so etwas wie «expansive Austerität» nicht gibt.
Der «American Rescue Plan» von Biden markiert definitiv einen grossen Bruch mit der Austeritäts- und Schuldenbesessenheit, die den Aufschwung nach der GFC lähmte, wie Paul Krugman neulich auf Twitter gemerkt hat.
Das ist daher eine sehr grosse Sache.
Was die Menschen jedoch erkennen sollten, ist, dass die wirtschaftspolitischen Massnahmen, die in Reaktion auf die GFC getroffen wurden, nicht die makroökonomische Orthodoxie im Sinne dessen widerspiegelten, was die ökonomischen Standardmodelle sagen.
Gerät die Wirtschaft in eine Liquiditätsfalle, verliert die konventionelle Geldpolitik an Zugkraft. Das steht in jedem Lehrbuch der Volkswirtschaft. Die private Nachfrage wird so schwach, dass die Ausgaben selbst bei Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) nicht reichen, um die Vollbeschäftigung wiederherzustellen.
Das ist eine Situation, wo es für Verbraucher, Unternehmen und Investoren gleichgültig wird, ob sie das Geld in bar oder in festverzinslichen Anleihen halten. Und hier kommt die Fiskalpolitik ins Spiel, um die Nachfragelücke zu schliessen und für einen nachhaltigen Aufschwung zu sorgen.
Darüber hinaus gibt es keine Wachstumsklippe bei einer Schuldenquote von 90%. Die Biden Administration verlässt sich tatsächlich auf den ökonomischen Konsens, anstatt sich an zweifelhaften Doktrinen festzuhalten.
Das Haushaltsdefizit ist nämlich ein Ergebnis der wirtschaftspolitischen Massnahmen, der Investitionen, und nicht die Quelle der Investitionsfinanzierung. Das Konzept des „deficit financing“ ist daher eine Fehlbezeichnung.
Denn öffentliche Defizite entstehen nach der Erhöhung der Ausgaben, sie finanzieren die Ausgaben nicht. Anleiheemissionen finanzieren die Ausgaben und je nachdem, ob die Ausgaben Steuereinnahmen generieren oder nicht, erscheint der Saldo im Haushalt, plus oder minus.
Eine heiße Konjunktur (hot economy) scheint zwar rein theoretisch eine etwas höhere Inflation zu bewirken. Aber es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie sich schnell in eine stetig steigende Inflationsrate umwandelt. Vielleicht liegt es an den verankerten Inflationserwartungen, vielleicht an der Lohnstarrheit nach unten (downward wage rigidity), aber sie ist einfach nicht da.
Das bedeutet nicht, dass Inflation nie ein Problem ist. Aber die Stabilität der Inflation über die Zeit bedeutet nicht, dass die Wirtschaft im Durchschnitt bei Vollbeschäftigung war, wie Krugman weiter argumentiert. Stattdessen spricht nun vieles dafür, dass wir mit einer anhaltenden Unterbeschäftigung zu tun haben.
Die bestehenden EU-Fiskalregeln haben weder das Wirtschaftswachstum in der Eurozone angekurbelt noch neue Arbeitsplätze geschaffen, geschweige denn bestehende erhalten.
Die monetäre und fiskalische Politik der EU war eine Katastrophe. „Fiscal Austerity“ ist eine gefährliche Idee.
Vor diesem Hintergrund ist das amerikanische Rettungspaket in dieser Grössenordnung vollkommen in Ordnung. Das primäre Ziel ist, Wachstumspotenzial zu fördern und die Beschäftigungschancen für alle verbessern.
Der beste Weg, die Staatsfinanzen zu sanieren, ist, die Beschäftigung und die Einkommen zu erhöhen. Das würde die Steuereinnahmen erhöhen und den Haushalt ausgleichen.