Buchbesprechung
Michelle Meagher: Competition is killing us – How Big Businesses is harming our society and Planet and what to do about it, Penguin Business, London, Sept 2021.
Michelle Meagher will in diesem Buch den gegenwärtig vorherrschenden Ansatz, wie wir mit der Wirtschaft interagieren, herausfordern. Und sie setzt sich direkt mit Themen wie Macht, Ungleichheit und sozialem Schaden auseinander.
Ihrer Ansicht nach sind Märkte nicht wirklich frei; sondern das Ergebnis einer Reihe komplexer politischer und regulatorischer Entscheidungen.
Sie unterstreicht mit Nachdruck, dass es ein Mythos ist, dass Unternehmen konkurrieren, indem sie versuchen, den Bedürfnissen der Gesellschaft am besten zu entsprechen.
In Wirklichkeit konkurrieren die Unternehmen um Macht, um die Vorteile ihrer Aktionäre, und zwar in einer Weise, die der Gesellschaft schadet («spillover» Effekte).
Das Wettbewerbsrecht (in Europa) heisst in den USA das «Antitrust» Gesetz. Das Kartellrecht war eine Antwort auf die Macht der Trusts.
Das Wort "Kartellrecht" («anti-trust») stammt aus der ursprünglichen Motivation der Gesetzgebung, die Industriekonsolidierung aufzubrechen, die die rechtliche "Trust"-Struktur genutzt hatte, um sich der Regulierung zu entziehen.
Die Universität von Chicago wurde im zwanzigsten Jahrhundert zum Gravitationszentrum des neoliberalen Denkens, das die Ansicht vertrat, dass die Märkte frei bleiben und Unternehmen nur den Aktionären dienen sollten. Und die Monopolisten sollten demnach nicht stark reguliert werden.
Die Agenda des freien Marktes in Chicago wurde in Europa vom österreichischen Ökonomen Friedrich Hayek weiter vorangetrieben.
Er fürchtete die wachsende Macht des interventionistischen Nachkriegsstaates, nachdem er in Deutschland gesehen hatte, was passieren kann, wenn ein faschistischer Führer die Kontrolle über eine stark monopolisierte und konzentrierte Industrie übernimmt. Dies war es, was Konglomerate wie das Chemieunternehmen I.G. Farben getan hatten.
Für Hayek bestand die Lösung nicht darin, dafür zu sorgen, dass es keine Monopole gibt, die ein faschistischer Führer übernehmen könnte, sondern er wollte stattdessen sicherstellen, dass der Staat im Verhältnis zur Privatwirtschaft immer zu klein und zu schwach sein sollte, um die private Macht an sich zu reißen.
Seither gilt das Shareholder-Konzept wie in Stein gemeisselt. Heute ist es sicherlich ein offenes Geheimnis, wie das moderne Kartellrecht die Macht der Unternehmen nicht einschränkt, sondern einfach duldet.
Beispielsweise kontrollieren Facebook und Google zusammen 84% der Online-Werbung, wobei 97% bzw. 88% der Gesamteinnahmen auf die Werbung entfallen. Wo ist der Wettbewerb?
Wenn der Shareholder-Value eine so schlechte Idee ist, mit weithin akzeptierten Kosten, die zu Ungleichheit, industrieller Konzentration und damit höheren Preisen, Umweltzerstörung und anderen sozialen Übeln beitragen, warum schaffen wir ihn dann nicht einfach ab?
Von dieser Frage ausgehend, widerlegt die Autorin überzeugend «sechs Mythen» über den Wettbewerb auf dem freien Markt.
Unternehmen sind genau das: nützliche Vehikel. Sie sind keine echten, lebenden Dinge. Sie sind ein von Menschen geschaffenes Artefakt. Wir sollten sorgfältig darüber nachdenken, wem Unternehmen Pflichten schulden, so die Autorin. Warum sollten die Interessen der Aktionäre Vorrang vor denen des Planeten, der Umwelt oder der Arbeitnehmer haben?
Das an der London’s Global University (UCL) forschende Senior Policy Fellow (im Zentrum für Recht, Wirtschaft und Gesellschaft) bietet eine Vielfalt an Ideen an, wie ein vernünftiges und praktisches Gleichgewicht zwischen diesen Interessen sowohl im Gesetz als auch in der Führung eines modernen, rentablen und nachhaltigen Unternehmens gefunden werden kann.
Was in der Diskussion über die Reform des Kapitalismus fehlt, ist das Verständnis dafür, wie der Wettbewerb auf dem freien Markt und der Shareholder Value sich gegenseitig verstärken und zu unbeabsichtigten Folgen führen.
Der Wettbewerb auf dem freien Markt ermöglicht es Facebook, Amazon und Uber auch, die Macht, die sie über den Markt erlangen, zu nutzen, um ihre Produkte so zu gestalten, dass sie auf Kosten der Gesellschaft mehr Gewinn erwirtschaften.
Und es gibt nur wenige Kontrollmechanismen, die sie mit ihrer Marktbeherrschung nicht umgehen oder manipulieren können - wir müssen einen Weg finden, die Macht zu teilen und externe Effekte zu internalisieren, so lautet das Fazit des Buches.
Weder die Corporate Governance, bei der es um die Verantwortung von Unternehmen geht, noch das Kartellrecht, bei dem es um Macht geht, haben dem öffentlichen Interesse angemessen gedient - zum großen Teil, weil es versäumt wurde, beide miteinander zu verbinden.
Macht und Verantwortung sollten wieder zusammengeführt werden. Dies ist das Kernprinzip des «Stakeholder-Kartellrechts» und die neue Grundlage einer neuen Vision für die Regulierung der Unternehmensmacht: Stakeholder-Kartellrecht, das sowohl wettbewerbs- als auch gesellschaftsrechtliche Regelungen umfasst.
Die Analyse erfolgt durch die Schaffung einer symbiotischen Beziehung zwischen dem Wettbewerbsregulator und einem neuen Unternehmensregulator.
Und wir beobachten ferner, wie die Besessenheit des Kartellgesetzes vom Preis dazu geführt hat, dass alles, was nicht im Preis enthalten ist - einschließlich externer Effekte - derzeit nicht zählt.
In einem ersten Schritt können wir daher diese anderen Faktoren, die im Allgemeinen verharmlosend als "nicht-wirtschaftliche" oder "öffentliche Interessen" bezeichnet werden, in unsere Analyse der Funktionsweise der Märkte einbeziehen.
Das ist ein Buch über Macht und die Strukturen der Einflussnahme. Die Macht, die in jede Marktinteraktion eingebettet ist und die so ungehindert zu denjenigen fließt, die sie bereits besitzen, dass wir die Wege beschreiten, die sie in ihrem Kielwasser bahnt, ohne uns bewusst zu machen, dass es auch andere Wege gibt, die wir nicht gehen, wie Frau Meagher weiter schildert.
Eine tiefe Einsicht in den blinden Fleck des Kapitalismus. Die Autorin will eine Abhilfe schaffen.