(in German)
Die Behauptung von Howard Lutnick, dem US-Handelsminister, dass es bei einem ausgeglichenen Haushalt keine Inflation geben kann, ist in der Tat eine Vereinfachung, die einer Überprüfung anhand historischer Belege und der Wirtschaftstheorie nicht standhält.
Die Inflation wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, und der Staatshaushalt (Staatsausgaben und Steuern) spielt zwar eine Rolle, ist aber nicht der einzige Bestimmungsfaktor.
Die Inflation ist in erster Linie das Ergebnis einer durch die Nachfrage ausgelösten Inflation («demand-pull», wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt) oder einer durch die Kosten ausgelösten Inflation («cost-push», wenn die Produktionskosten steigen), und diese können unter unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen auftreten.

Selbst bei einem ausgeglichenen Haushalt kann es zu einer Inflation kommen, wenn andere Kräfte im Spiel sind, wie z. B.:
- Geldpolitik: Die Entscheidungen der Fed zur Steuerung der Geldmenge und der Zinssätze sind ausschlaggebend für die Inflationsbekämpfung. Ein übermäßiges Geldmengenwachstum kann beispielsweise zu Inflation führen, selbst wenn die Regierung einen ausgeglichenen Haushalt hat.
- Globale Angebotsschocks: Ereignisse wie Ölpreiserhöhungen oder Unterbrechungen der Versorgungskette können zu Inflation führen, selbst wenn der Staatshaushalt im Inland ausgeglichen ist.
- Auslandsnachfrage: Eine erhöhte Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen aus anderen Ländern kann die Inflation in einer Volkswirtschaft unabhängig von der inländischen Finanzpolitik anheizen.

Es gibt historische Belege, die veranschaulichen, wie es trotz eines ausgeglichenen Haushalts zu einer Inflation kommen kann:
- Die Stagflation der 1970er Jahre: In den 1970er Jahren hatten die Vereinigten Staaten mit hoher Inflation und hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen, ein Phänomen, das als «Stagflation» bekannt ist. Diese Periode war auf eine Kombination aus externen Angebotsschocks (wie Ölpreiserhöhungen durch die OPEC) und expansiver Geldpolitik zurückzuführen. Während der US-Bundeshaushalt in dieser Zeit nicht besonders aus dem Gleichgewicht geriet, erreichte die Inflation in vielen Jahren zweistellige Werte.
- Inflation nach dem Zweiten Weltkrieg: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die USA in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren einen relativ ausgeglichenen Bundeshaushalt, aber dennoch kam es zu einer Inflation. Dies war auf die hohe Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen zurückzuführen, als die Wirtschaft von der Kriegsproduktion zur Friedensproduktion überging. Außerdem verfolgte die Fed eine akkommodierende Geldpolitik, was zu einem Inflationsdruck führte.
- Die Finanzkrise 2008: Während und nach der globalen Finanzkrise 2008 erhöhte die US-Regierung ihr Haushaltsdefizit durch Konjunkturpakete («fiscal stimulus») erheblich, die Inflation blieb jedoch niedrig. Dies war auf eine Kombination aus schwacher Nachfrage, hoher Arbeitslosigkeit und der aggressiven Geldpolitik der Federal Reserve zurückzuführen. Die Ausgaben für Konjunkturprogramme führten jedoch nicht direkt zu einer hohen Inflation, da die Wirtschaft zu dieser Zeit sehr schwach war.
- Japans verlorenes Jahrzehnt: Japan hat zeitweise eine ausgeglichene Finanzpolitik betrieben und war dennoch über einen längeren Zeitraum mit einer anhaltenden Deflation oder sehr niedrigen Inflation konfrontiert. Dies zeigt, dass die Inflation nicht nur von der Haushaltsbilanz abhängt, sondern auch das Ergebnis einer schwachen Nachfrage, demografischer Faktoren und der Geldpolitik sein kann.

Fazit:
Lutnicks Aussage über Inflation und einen ausgeglichenen Haushalt lässt die Komplexität von Wirtschaftssystemen außer Acht. Die Inflation ist in erster Linie eine Folge der Dynamik von Angebot und Nachfrage, der Geldpolitik und externer Schocks.
Ein ausgeglichener Haushalt ist keine Garantie für eine niedrige Inflation, und Inflation kann unabhängig vom finanzpolitischen Kurs auftreten, wenn andere Faktoren, wie die Geldpolitik oder globale Ereignisse, vorhanden sind.
Die Haushaltsergebnisse sind größtenteils endogen und schwanken mit den sich ändernden Bedingungen in der Realwirtschaft. Es ist daher falsch, steigende Haushaltsdefizite als Ursache und nicht als Folge einer Schwäche der Realwirtschaft zu betrachten.
Politische Ziele wie Vollbeschäftigung können mit einem Haushaltsdefizit, einem Haushaltsüberschuss oder einem Haushaltsausgleich erreicht werden, wie Stephanie Kelton unterstreicht.
Daher sollten politische Entscheidungsträger nie ein bestimmtes Haushaltsergebnis anstreben, denn der Haushalt ist kein Selbstzweck.
Vielmehr sollte der Haushalt als kontinuierliches Mittel zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele eingesetzt werden, die auf die Erhöhung des Lebensstandards und die Förderung einer gerechteren Einkommensverteilung abzielen.