Die US-Wirtschaft hat im April 266,000 Stellen geschaffen. Volkswirte hatten mit 1mio. Stellen gerechnet. Zudem wurde das Stellenwachstum der Vormonate Februar und März nach unten revidiert.
Im Durchschnitt wurden zwar in den vergangenen drei Monaten (non-farm payrolls, ausserhalb der Landwirtschaft) 524,000 Arbeitsplätze besetzt.
Aber die Enttäuschung über die Entwicklung des US-Arbeitsmarktes ist selbstverständlich gross. Eine Frage, die im Fokus steht, ist, ob die Ausweitung der Arbeitslosenversicherung des Einstellungstempo in wesentlicher Weise gebremst hat.
Das heisst, ob das erhöhte Arbeitslosengeld einen Anreiz für fähige Arbeitskräfte darstellt, an der Seitenlinie zu bleiben und damit einen möglicherweise kurzfristigen Arbeitskräftemangel zu verschärfen.
Was wir wissen, ist, dass Einzelhändler, Restaurants, Hotels und andere Teile der Dienstleistungswirtschaft Schwierigkeiten haben, neue Mitarbeiter einzustellen.
Auf der anderen Seite zeigen die BLS-Daten, dass der Sektor Freizeit und Gastgewerbe mehr als alle im April neu geschaffenen Arbeitsplätze verbucht hat, nämlich über 330,000. Andere Sektoren haben per Saldo Arbeitsplätze verloren. Das deutet nicht auf einen angespannten Arbeitsmarkt (tight labor market) hin.
Anekdotisch halten wir fest, dass es neben Arbeitslosenversicherung möglicherweise noch andere Faktoren gibt, die das Angebot (an Arbeit) einschränken, wie z.B. die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung und die anhaltende Angst vor dem Corona-Virus.
Die Schulen sind geschlossen. Die Kinder bleiben zu Hause. Wer soll sich um sie kümmern? Die Eltern. Und wenn die Pandemie noch nicht unterbunden ist, ist es verständlich, dass die Menschen in Selbstisolation verharren und daher nicht sofort zum Arbeitsplatz zurückkehren wollen.
Das Ausbleiben des Lohnwachstums legt aber nahe, dass es sich dabei eher um ein angebotsseitiges als um ein nachfrageseitiges Problem handelt.
Barry Ritholtz trifft den Nagel auf den Kopf:
«Haben Sie Schwierigkeiten, Mitarbeiter einzustellen? Versuchen Sie, Ihre Löhne zu erhöhen».
Wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften da ist, warum hat das Angebot noch nicht aufgeholt? Die kurze Antwort ist der Preis. Die Arbeitgeber haben gezögert, die Löhne zu erhöhen. Dies ist ein klassisches Problem, bei dem sich Käufer und Verkäufer auf ein vergangenes Niveau fixieren und nicht mit den Realitäten der Märkte Schritt halten, argumentiert Ritholtz weiter.
Die Fed kümmert sich mehr als alles andere darum, die Beschäftigung zu erhöhen, und sie scheint sich auf das Verhältnis der Beschäftigten zur Gesamtbevölkerung im erwerbsfähigen Alter zu konzentrieren, eine Zahl, die Verwirrung darüber vermeidet, ob die Menschen nach einem Job suchen, wie John Authers in seiner Kolumne bei Bloomberg betont.
Diese Zahl liegt jetzt bei 58%. Das letzte Mal, als sie vor dem COVID-19 so niedrig war, begann sich die Wirtschaft gerade von der Rezession der ersten Jahre von Präsident Ronald Reagan zu erholen.
Um wieder den Stand vor der Pandemie zu erreichen, muss die Beschäftigung um weitere 5 % steigen; um das Niveau vor der globalen Finanzkrise zu erreichen, ist ein Anstieg um 9 % erforderlich; und um das Niveau von Anfang 2000 zu erreichen, wäre eine Verbesserung um 12 % erforderlich.
Wie JPMorgan AM unterstreicht, hat sich die Zusammensetzung der US-Arbeitnehmerschaft infolge der Pandemie drastisch geändert, da Millionen von Niedriglohnempfängern ihre Arbeit verloren, während relativ gut bezahlte Arbeitnehmer beschäftigt blieben.
Erst wenn die Wirtschaft die BIP- und Beschäftigungslücke geschlossen hat, wird sich der Fokus der Fed wahrscheinlich auf die Risiken der Überhitzung, der Inflation und des Lohnwachstums richten.
Fazit: Es ist schwer, herauszufinden, was hinter dem Fehlbetrag an Arbeitsplätzen im April steckt. Aber wenn es an der Arbeitslosenunterstützung läge, würden wir erwarten, dass der Fehlbetrag in den Niedriglohnsektoren am größten ist. Denn die Arbeitslosenunterstützung hat dort den größten Einfluss. Doch die Realität zeigt ein total anderes Bild (siehe die 5. Abbildung). Die neugeschaffenen Stellen betreffen ausschliesslich diesen Sektor.