Buchbesprechung
Alan S. Blinder: A Monetary and Fiscal History of the United States, 1961-2021, Princeton University Press, December 2022.
Eine nüchterne Wahrnehmung der jüngsten schweren Krisen wie der GFC von 2008 und der COVID19 Pandemie von 2020 führt deutlich vor Augen, wie wichtig das Zusammenspiel von Geld- und Finanzpolitik für die Wirtschaft ist. Zumal eine enge Zusammenarbeit aufgrund neuer Herausforderungen inzwischen unumgänglich ist.
Alan Blinder liefert uns in seinem neuen Buch eine profunde Zusammenfassung von 60 Jahren Geld- und Finanzgeschichte.
Klar ist, wie der Professor für Wirtschaft und Public Affairs an der Princeton University mit Nachdruck unterstreicht, dass das komplexe Zusammenspiel von Ideen, Ereignissen, Politik und Politik, das im Mittelpunkt dieses Buches steht, nicht linear verlaufen ist.
Die Rede ist von zwei Arten von Stabilisierungspolitik; wie und warum sie sich im Laufe von 60 Jahren so oft geändert hat.
Wichtig ist jedoch, deutlich in Erinnerung zu rufen, dass es beim Einsatz von diesen elementaren Instrumenten in erster Linie um politische Entscheidungen und gesellschaftliche Prioritäten geht.
Der Autor nennt es «Druck der Ereignisse»:
«Das Auf und Ab der Fiskal- und Geldpolitik in der realen Welt spiegelte größtenteils den Druck der Ereignisse wider.»
Wenn wir die keynesianische Politik als den Glauben an die Nutzung der Fiskalpolitik zur Beeinflussung der Gesamtnachfrage definieren, teilt Blinder die amerikanischen Präsidenten in drei Körbe ein: Kennedy, Johnson, Nixon, Ford, Carter, Obama und Biden waren alle im Wesentlichen Keynesianer, sowohl im Prinzip als auch in der Praxis.
Eine diskretionäre Fiskalpolitik wurde zum ersten Mal während der Amtszeit von Kennedy (1964) eingesetzt, um die Gesamtnachfrage zu stimulieren.
Reagan, Bush II und Trump mieden das keynesianische Etikett, handelten aber in der Praxis keynesianisch. Die einzigen fiskalpolitischen Episoden, die als wirklich anti-keynesianisch bezeichnet werden können, ereigneten sich unter Bush I und Clinton, als der politische Fokus direkt darauf lag, das Defizit um jeden Preis zu reduzieren.
Wenn die Wirtschaft zum Wohle der Menschen funktionieren soll, ist eine strikte (fiktive) Trennung nicht einmal historisch sachlich begründbar.
Staatsausgaben können dazu beitragen, die Wirtschaft anzukurbeln und die Inflation wieder mit dem Ziel der Zentralbank in Einklang zu bringen, wie die EZB bekräftigt.
Der Autor geht aber explizit nicht darauf ein, auf Möglichkeiten hinzuweisen, die dazu beitragen könnten, um die bitteren Folgen des Strebens nach ausgeglichenen Haushalten zu vermeiden, Möglichkeiten, die Hoffnung und Verbesserung bieten.
Noch einmal: Es sind im Allgemeinen die Werte der Gesellschaft, nicht der Leitfaden der Lehrbücher der Volkswirtschaft (sprich: mit theoretischer oder empirischer Gültigkeit), die die sozialen und politischen Ziele leiten und begrenzen, die eine Regierung verfolgen kann.
Im Klartext: Ein ausgeglichener Haushalt ist kein Sachzwang.
Die ideologischen Imperativen wie z.B. TINA (There Is No Alternative) dienen vor diesem Hintergrund schönfärbend dazu, den öffentlichen Sektor zu delegitimieren und zu diskreditieren, um auf diese Weise die von privaten Märkten erzeugten Ergebnisse irgendwie zu glorifizieren.
Alan Blinder zeigt in diesem auf seinen erkenntnisreichen theoretischen und praktischen Erfahrungen beruhenden Buch auf, wie die Geschichte der makroökonomischen Politik und die Geschichte der Wirtschaftsdoktrin miteinander verwoben sind.
Die theoretische Entwicklung beeinflusst die Wirtschaftspolitik und die realen Ereignisse färben auf die wirtschaftspolitische Theorie ab.
Eine wahre Glanzleistung: unbedingt lesenswert.